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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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musste Alisa Leo für seine Beherrschung und seine unbewegliche Miene dankbar sein. Er sah sie an und begrüßte sie, als sei nichts geschehen.
    Alisa begriff Tammos Zweifel und seinen inneren Kampf. Nun trat auch sie vor und zwang sich zu einem Lächeln.
    »Es hat ein wenig gedauert, aber nun sind wir da, um dich abzuholen.«
    Clarissa war offensichtlich nicht begeistert. Sie entzog ihm ihre Hände und wich zurück. Alisa konnte ihren körperlichen und ihren seelischen Schmerz fühlen.
    »Ich habe euch nicht gerufen. Ich will nicht mit euch kommen.«
    »Das wissen wir«, antwortete Leo so gelassen wie immer. »Das hast du Tammo auch schon gesagt. Nein, er hat dich nicht verraten, aber es ist schwer, vor einem Dracas etwas geheim zu halten.« Er lächelte entschuldigend.
    »Ich kann deine Gedanken und Gefühle lesen, und vielleicht verstehe ich sie ein wenig, aber nicht genug, um sie zu akzeptieren«, fügte er streng hinzu. »Es gibt keinen Grund, deiner Existenz ein Ende zu setzen oder dich hier auf dieser Insel zwischen den Verrückten lebendig zu begraben.«
    »Ach nein?«, rief Clarissa mit schriller Stimme. »Bist du blind? Sieh mich doch an! So erwache ich Nacht für Nacht, ohne dass sich etwas ändert.«
    »Nein, ich bin nicht blind, und ja, ich gebe zu, das ist ungewöhnlich, aber ich verspreche dir, wir werden der Sache auf den Grund gehen und dann eine Lösung finden.«
    »Tara«, rief Alisa.
    Clarissa nickte. »Dein Bruder sprach auch von der Druidin in Irland und versuchte, mir Hoffnung zu machen.«
    »Dann hoffe einfach und komm mit uns«, sagte Leo so sanft, dass Alisa sich wunderte. So einfühlsam kannte sie den Dracas kaum.
    Alisa sah, wie seine Augen sich veränderten, als er seinen Blick mit Clarissas verband. Die Dracas verstanden es nicht nur, den Geist von Menschen zu beeinflussen.
    Clarissa schwieg.
    »Komm mit uns!« Er hob die Hand.
    Sie zögerte noch immer, doch dann reichte sie ihm die ihre.
    »Gibt es hier ein Boot? Wir haben uns gewandelt und sind geflogen, aber für den Rückweg brauchen wir ein Boot.«
    Clarissa nickte. »Hinter der Kirche sind zwei am Anleger vertäut. Eine Gondel und ein größeres Boot, mit dem vermutlich die Vorräte gebracht werden.«
    Alisa und Leo folgten ihr bis zum Steg. Clarissa nahm in der Gondel Platz, während Alisa und Leo die beiden Riemen ergriffen und das Boot in die Flut steuerten. Der Regen war stärker geworden und auch der Wind hatte aufgefrischt und trieb das Wasser der Adria in die Lagune. Ein wenig besorgt sah Alisa zum Himmel mit seinen bedrohlichen Wolken hinauf. Über dem Lido zuckten Blitze und tauchten die Wolkentürme in ein unheimliches Licht. Hoffentlich wurden die Wellen nicht zu hoch. Wenn das Boot kenterte, würde Clarissa in Schwierigkeiten geraten. Sie konnte sich nicht wie Leo und sie in eine Möwe verwandeln und auf den Sturmböen dahinsegeln. Alisa bezweifelte, dass sie in ihrem Zustand gegen die Wellen anschwimmen konnte. Zumindest würde die Strömung sie auf Venedig zutreiben. Die Gezeiten hatten gerade gewechselt, und nun begann die Flut in der Stadt das Wasser steigen zu lassen.
    Leo steuerte auf die Insel Giudecca zu, als Alisa eine Möwe bemerkte, die geradewegs auf sie zuhielt. Der Sturmwind warf sie hin und her, doch sie schien fest entschlossen, ihren Weg fortzusetzen. Alisa runzelte die Stirn. Sie zentrierte ihre Gedanken und richtete die Kraft ihres Geistes auf die Möwe.
    Tammo?
    Ja, liebe Schwester. Es ist doch immer wieder schön, wie vertrauensvoll und offen wir alle miteinander umgehen und den anderen mitteilen, was wir vorhaben!
    Die Möwe ließ sich auf einer der Sitzbänke nieder und klappte die Flügel ein. Zum Glück bin ich nicht auf den Kopf gefallen und kam der Lösung schnell auf die Spur. Ich hatte schon befürchtet, dass ich meine Gedanken zwar vor dir, liebe Schwester, nicht aber vor den Dracas verbergen kann.
    Alisa hatte das kindliche Bedürfnis, ihm die Zunge rauszustrecken, unterließ es aber und konzentrierte sich lieber auf ihren Riemen.
    Die Möwe legte den Kopf schief und betrachtete Clarissa, die unter dem Dach der Felze Schutz vor dem Regen gesucht hatte. Die Vorhänge waren zurückgezogen. Ihr schlichtes Kleid wurde nun von einem weiten Umhang verhüllt, der hier im Boot gelegen hatte. Die Kapuze verbarg ihren kahlen, geschwärzten Schädel.
    Ihr wart erfolgreicher als ich, stellte er fest. Ihr habt es geschafft, sie zum Mitkommen zu überreden.
    Alisa zog eine Grimasse. Die Lorbeeren

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