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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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die übrig bleiben würden. Vermutlich war Ivy die Dame in diesem Spiel. Wer aber war der König? Seine Hand tastete nach dem Brief, den er am Nachmittag bekommen hatte, doch der Tisch war leer. Das Blatt lag auch nicht auf dem Boden. Es war überhaupt nicht mehr zu finden. Bram wollte nicht darüber nachdenken, was die einzig mögliche Erklärung war. Er schloss mit einem Seufzer die Augen und versuchte sich ins Gedächtnis zurückzurufen, was genau in dem Brief stand, den Professor Abraham van Helsing ihm aus Amsterdam geschickt hatte.

Lord Byron und Clarissa
    Während Luciano mit seiner Gruppe noch einmal nach Clerkenwell unterwegs war, spazierte Clarissa ziellos auf dem Gelände des Temple umher. Sie redete sich ein, dass sie gar keine Lust hatte, das geschäftige London kennenzulernen. Doch die Wahrheit war, dass sie sich nicht traute, sich alleine auf den Weg zu machen. Sie fühlte sich noch immer nicht wohl in ihrer neuen Haut und war zutiefst verunsichert. Auf der einen Seite sehnte sie sich danach, Lucianos Liebe und Fürsorge anzunehmen, auf der anderen Seite wehrte sie sich noch immer gegen alle Veränderungen, die ihre neue Existenz mit sich brachte und die ihr ausnahmslos negativ erschienen.
    » So alleine, schönes Fräulein?«
    Clarissa schreckte aus ihren Gedanken auf. Sie starrte den Mann an, der sie angesprochen hatte. Nein, den Vampir, korrigierte sie sich, nachdem sie überprüft hatte, ob sein Körper Wärme ausstrahlte. Ein auf seine Weise sehr anziehend wirkender Vampir. Sein braunes Haar war kurz und gelockt, die hellen Augen waren direkt auf sie gerichtet. Die weiße Haut, die fein geschwungenen Brauen und das Grübchen am Kinn gefielen ihr, obgleich sie sich unter seinem intensiven Blick verlegen fühlte. Er sah gut aus, was sicher auch an der stolzen Haltung und der edlen Kleidung lag, die einer der besten Schneider in London angefertigt haben musste, soweit sie das beurteilen konnte. Er sah sogar noch eleganter, ja, aristokratischer aus als die Dracas, wobei er natürlich nicht deren einnehmend gleichmäßig schöne Gesichtszüge hatte.
    » Woher kommen Sie?«, fragte der Fremde weiter. » Ich weiß, dass Sie mit den Erben angereist sein müssen, denn wenn Sie eine Vyrad wären, hätte ich schon längst Ihre Bekanntschaft gemacht. Dieser Stern wäre mir nicht lange verborgen geblieben!«
    Clarissa hatte das Gefühl, erröten zu müssen, und senkte den Blick. » Danke, mein Herr. Ich bin Clarissa Todesco– nein, das war ich früher einmal, als ich noch in Wien lebte. Jetzt bin ich nur noch Clarissa, oder muss ich sagen Clarissa de Nosferas? Ich weiß es nicht. Ich bin ja nicht reinen Blutes, müssen Sie wissen.«
    » Nein? Das habe ich mir gedacht. Sie müssten sonst mit den Erben bei ihren Übungen sein, nicht wahr?«
    Clarissa nickte. Der Vampir machte keine Anstalten, das Gespräch zu beenden, obgleich sie ihn darauf hingewiesen hatte, dass kein reines Blut in ihren Adern floss. Clarissa konnte sich nicht vorstellen, warum dieser vornehme Vampir sich mit ihr abgab. War er überhaupt ein Vyrad? Er kam ihr seltsam bekannt vor, als habe sie sein Bild schon einige Male gesehen. Er bot ihr den Arm, und ein wenig unsicher nahm sie ihn an und spazierte neben ihm her, ohne darauf zu achten, wohin sie gingen. Eine leise Stimme in ihr sagte, dass dies ganz und gar ungehörig war, an der Seite eines fremden Mannes einherzuspazieren. Und sie musste sich wieder einmal selbst daran erinnern, dass sie nicht mehr Clarissa von Todesco war, die für jeden Schritt außer Haus eine Anstandsdame oder Zofe benötigte. Sie war jetzt eine Vampirin!
    » Darf ich fragen, wer Sie sind?«, erkundigte sie sich schüchtern.
    Der Vampir verbeugte sich mit einem eleganten Kratzfuß, der ein wenig altertümlich wirkte. » Georg Gordon Noël Lord Byron, meine Verehrte.«
    Clarissa starrte ihn verblüfft an. » Lord Byron? Der Dichter? Aber nein, das ist nicht möglich. Sie nehmen mich auf den Arm!«
    Er wirkte ein wenig gekränkt. » Warum sollte ich das tun?«
    Clarissa hob verwirrt die Schultern. » Ich weiß nicht. Wie könnte das möglich sein? Ich habe einige Ihrer Verse gelesen und von unserem Hauslehrer von Ihnen gehört. Ich dachte, Sie seien«, sie überlegte, » 1825 oder so in Griechenland an einem Fieber gestorben.« Sie stiegen die Treppe zum Rosengarten hinunter und schlenderten über die weite Rasenfläche bis hinunter zu der Mauer, gegen die zu Zeiten der Tempelritter noch die Fluten der Themse

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