Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
Du hast das Internat sicher mit Bedacht gewählt?«
» Ja, es ist mir als das Beste empfohlen worden.«
» Ein altes Kloster, hast du auf unserer Überfahrt erzählt?«
» Bei Oxford«, ergänzte Bram und hielt dann inne. Ein seltsames Gefühl durchflutete ihn, als habe er einen schweren Fehler begangen. Er blinzelte verwirrt und sah dann Ivy an, die ihn wie immer anlächelte. Oder war da etwas Neues in ihrem Blick? Etwas Kühles, Distanziertes? Nein, das konnte nicht sein.
Ivy wechselte das Thema. Sie fragte nach Florence und nach Henry Irving, seinem Brotgeber.
» Ich kann nicht über mangelnde Arbeit klagen, was nur gut ist, denn das Theater läuft wieder, und es scheint eine gute Saison zu werden. Obgleich ich sagen muss, dass es nicht leicht ist, mit Henry zusammenzuarbeiten. Er sollte mich meine Arbeit tun lassen und ich ihn die seine. Er hat kein Händchen, ein Theater zu führen, muss ich leider sagen. Und sein Temperament ist in diesem Fall auch nicht von Vorteil.«
Ivy nickte verständnisvoll. » Seine Stärken liegen auf einem anderen Gebiet. Er gilt als der brillanteste Shakespeare-Darsteller seit Jahrzehnten, und sein Ruf ist bereits weit über London hinausgeeilt. Ich sollte mir eine Vorstellung ansehen.«
» Ja, das solltest du wirklich«, sagte Bram herzlich. » Und bring deine Freunde mit! Sag mir Bescheid, wann es euch passt, dann kann ich euch eine Loge reservieren. Nur, bitte bring Seymour nicht mit– zumindest nicht in seiner üblichen Gestalt!«
Ivy hob die Brauen. » Mögt ihr keine Wölfe in euren Theatern? Ich hätte die Londoner nicht für so engstirnig gehalten.«
» Leider ist es doch so«, bestätigte Bram mit einem Lachen.
» Er wird es verkraften. In Paris durfte er auch nicht mit in die Oper und in Wien nicht zu der Aufführung im Burgtheater, zu der uns Leo mitgenommen hat.« Sie machte eine Pause und sah Bram eindringlich an. » Ja, Wien, das war eine aufregende Zeit. Und erst eure Reise nach Siebenbürgen und in die Karpaten. Denkst du noch oft daran?«
Bram nickte. » Ja, ich träume jede Nacht davon.«
» Albträume?«, vermutete Ivy.
Er wiegte den Kopf hin und her. » Ja und nein. Dracula ist der Name für den schlimmsten Alb! Er und seine grausamen rumänischen Kinder.« Die Erinnerung ließ ihn erschaudern. » Wenn ich nur daran denke, wie knapp wir in Schäßburg den Unreinen der Upiry entkommen sind! Ich wache stets schweißgebadet auf. Und dann diese Vampirinnen in ihrer grausam kalten Schönheit, die uns fast unser Blut und unser Leben geraubt hätten, wenn deine Freunde nicht im letzten Augenblick aufgetaucht wären. Der Moment, als die Lampe zu Bruch ging und die Klauen des untoten Weibes nach meinem Hals griffen, wird mir in meinen Träumen zur Ewigkeit und martert mich«, gab er mit leiser Stimme zu.
» Vielleicht geht es Professor Vámbéry und van Helsing genauso. Wobei ich mir denken könnte, dass van Helsing jenseits von Albträumen und schlechtem Schlaf steht.«
» Ja, mag sein«, stimmte ihr Bram mit einem halbherzigen Lachen zu, noch ganz in seinen Erinnerungen gefangen.
» Aber manches Mal komme ich auch zu einem guten Ende, und es gelingt mir, dich zu retten. Dann werde ich durch dein Lächeln belohnt, und der Traum könnte ewig währen.«
Ivy ging nicht darauf ein. » Hast du von deinen Begleitern in letzter Zeit etwas gehört?«, fragte sie stattdessen.
Bram nickte. » Professor Vámbéry hat mir vor einem Monat geschrieben. Ich hatte ihn eingeladen, und er schrieb mir, dass er sehr gerne wieder einmal nach London kommen würde. Er habe die Stadt in sehr guter Erinnerung behalten. Mitte der sechziger Jahre, als er von seinen Reisen aus Asien zurückkam, wurde er hier geradezu enthusiastisch empfangen.«
» Und? Kommt er?«, fragte Ivy gespannt.
» Vermutlich nicht. Jedenfalls nicht gleich. Er plant, noch einmal nach Persien zu reisen. Dieses Mal allerdings nicht als sunnitischer Derwisch verkleidet wie das erste Mal«, fügte Bram an. » Die Zeiten haben sich zum Glück geändert. Wenn man bedenkt, dass er einer der Ersten aus unseren Breiten war, der diese östlichen Länder bereist hat. Sie hatten sich damals völlig von der Außenwelt abgeschlossen.«
» Ja, heute sind die Briten überall auf der Welt und nennen ein Reich ihr eigen, in dem niemals die Sonne untergeht«, sagte Ivy. Ihr sarkastischer Ton verriet, dass sie dem keinen Beifall zollte. » Und dein Freund van Helsing?«, hakte sie weiter nach.
» Oh, der hat mir eben erst
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