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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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durch den Bloody Tower betreten, der nicht umsonst diesen Namen trägt.«
    Obwohl sich Alisa mit aller Kraft auf Malcolms Stimme und sein Lächeln konzentrierte, spürte sie Leos Blick in ihrem Rücken, der ganz und gar nichts mehr von Zärtlichkeit hatte. Gegen ihren Vorsatz drehte sie sich noch einmal um, gerade, als er den Blick senkte und auf Ivy richtete, die nun an seiner Seite stand und ihn mit ernster Miene etwas fragte. Als er sich ihr zuwandte, verschwand die Aura von Zorn und Hass, die ihn wie eine Wolke umgeben hatte. Rasch wandte sich Alisa wieder ab. Sie war froh, dass Malcolm sofort zu erzählen begann, obgleich es ihr zu Anfang schwerfiel, ihm zuzuhören und Leos geliebtes und gehasstes Bild aus ihrem Geist zu vertreiben. Doch dann begann die Geschichte sie zu fesseln und lenkte sie von ihrem Kummer ab. Ihren Arm in den seinen gehängt, presste sie sich näher an ihn, als sie es sonst getan hätte, und empfand wenigstens ein bisschen Trost durch seine Nähe.
    » Der Tower war ja von jeher ein Ort, an dem viele hochrangige Adelige eingekerkert wurden und auf ihre Hinrichtung warteten, nachdem sie in einem mehr oder weniger ordentlichen Prozess zum Tode verurteilt worden waren. Doch nicht alle, die hier den Tod fanden, hatten sich eines Verbrechens schuldig gemacht. Nein, oft war ihr einziges Vergehen, dem Machtstreben eines anderen im Wege zu stehen. So beispielsweise Lady Jane Grey. Sie ging als die Königin für neun Tage in die Geschichte ein. Sie wurde das Opfer der Machtgier der Familie ihres Ehemanns Guildford Dudley, die sie durch einen Putsch auf den Thron brachte, doch die katholische Bloody Mary, Tochter des Tudorkönigs Heinrich VIII . erwies sich als die Stärkere und nahm Lady Jane und ihren Mann gefangen. Er wurde draußen auf dem Tower Hill geköpft. Seiner Gemahlin Jane gewährte man die Gnade einer privaten Hinrichtung dort drüben auf dem Rasen vor der Royal Chapel of St. Peter ad vincula . Als sie das Schafott bestieg, war sie gerade einmal sechzehn Jahre alt!«
    Alisas Blick wanderte über den gepflegten Rasen, über den zwei große Raben hüpften und nach etwas Essbarem zwischen den grünen Halmen pickten. Sie stellte sich vor, wie das junge Mädchen, das ungefähr in ihrem Alter gewesen war, hocherhobenen Hauptes über das Grün schritt, um ihren schlanken Nacken auf den Block zu legen, während der Scharfrichter bereits die Axt hob.
    » Und dann gab es noch zwei Opfer, deren Tod man nur als heimtückischen Mord bezeichnen kann«, fuhr Malcolm fort.
    » Fast ein Jahrhundert vorher starb König Eduard IV . und hinterließ seine beiden erst zwölf und neun Jahre alten Söhne Eduard und Richard. Der ältere war nun offiziell König Eduard V. Ihr Onkel ließ sie– angeblich zu ihrem Schutz– in den Tower bringen, wo sie eines Nachts spurlos verschwanden, worauf sich besagter Onkel als Richard III . zum König krönen ließ. Gerüchte sagen, sie wurden dort drüben in dem Gebäude, das damals noch Garden Tower hieß, erwürgt und ihre Leichen an einen Ort gebracht, wo sie niemals entdeckt werden würden. Seitdem wird der Turm Bloody Tower genannt.«
    » Und man hat nie mit Sicherheit erfahren, was mit den Prinzen geschehen ist, und ob ihr Onkel wirklich den Mord in Auftrag gegeben hat?«, wollte Alisa wissen.
    Malcolm schüttelte den Kopf. » Nein, sicher weiß man es nicht, allerdings fand man viel später durch Zufall unter dem Treppenaufgang, der zur St. John’s Chapel im White Tower führt, die Skelette zweier Knaben, eingemauert in der mächtigen Wand. Der damals regierende König Charles II . war überzeugt, die verschwundenen Prinzen gefunden zu haben, und ließ sie feierlich in Westminster beisetzen.«
    Lord Milton rief sie nun zu sich und forderte sie auf, ihm zu folgen. Sie passierten die innere, mächtige Turmfestung mit den vier schlanken Ecktürmchen, deren Wände früher weiß getüncht worden waren und die daher der White Tower hieß. Heute diente sie nur noch als Lager von Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen, die Königin Victorias Truppen so brauchten. Lord Milton ließ den Tower rechts liegen und ging auf die St.-Peter-Kapelle zu, die an die nördliche Mauer des inneren Rings anschloss. Je näher die Vampire kamen, desto intensiver roch es nach vielen Menschen, die hier noch vor wenigen Stunden gearbeitet und Schweiß ausgedünstet hatten, aber auch nach längst vergossenem Blut und alten Gebeinen, die lange irgendwo in der Tiefe geruht hatten.
    Ein Mann

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