Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
mächtigen, zylindrischen Türme des Byward Tower zu, in deren Mitte sich ein Tor öffnete.
» Beeilt euch!«, forderte Lord Milton die Erben auf. Sie gingen durch das Tor und gelangten auf einen gepflasterten Weg zwischen zu beiden Seiten aufragenden Mauern und Türmen. Der Lord führte die jungen Vampire an der Basis eines vieleckigen Turmes vorbei, der in seinen oberen Geschossen in eine runde Form überging. Sie folgten der Water Lane, wie ein Schild verriet, und passierten dann ein Fallgitter unter einem Turm, der sie ins Innere des zweiten Mauerrings führte. Lord Milton gebot den Erben, sich in die Schatten zurückzuziehen und sich ruhig zu verhalten.
Schritte von Stiefeln waren zu hören. Sie hallten von den Mauern zu beiden Seiten der Water Lane wider. Die Vampire erhaschten den Schein einer Laterne. Die Schritte bewegten sich zum äußeren Tor, dann hielten sie inne. Ein Knarren wie von einem großen Schlüssel in einem Schloss erklang. Noch ein Tor schlug zu und wurde verriegelt. Dann kehrten die Männer zurück. Als sie sich dem Fallgitter näherten, durch das die Vampire den inneren Festungshof betreten hatten, trat ein Wachposten aus einer Nische und rief: » Halt! Wer kommt da?« Die Schritte draußen vor dem offenen Tor verharrten.
Alisa beugte sich ein wenig vor. Sie konnte einige Männer in roten Uniformen mit dem breiten, gefältelten Tudorkragen um den Hals im Schein der Lampe erkennen. Der Vorderste, der wohl zu den von Lord Milton erwähnten Yeoman Warders gehörte, antwortete: » Die Schlüssel!«
» Wessen Schlüssel?«, gab der Wachmann zurück.
» Die Schlüssel von Königin Victoria«, antwortete der Warder.
» Als ob der das nicht wüsste«, raunte Tammo seiner Schwester zu. » So eine Farce!«
» Das nennt man Tradition«, gab Alisa ebenso leise zurück.
Tammo hob die Schultern. » Ich nenne es Blödsinn!«
Sie stieß ihn in die Rippen, als der Torwächter weitersprach. » Dann geh’ vorüber. Alles ist in Ordnung.« Der Wächter gab den Weg frei und die Männer marschierten durch das Tor. Vom Innern der Festung traten nun noch mehr Warders hinzu und reihten sich neben dem Torweg auf. Sie präsentierten die Waffen, und als der Chief Warder seinen Hut lüftete, riefen sie alle:
» Gott schütze Königin Victoria!«
Die anderen Warders fielen ein, erhoben ihre Hüte und riefen: » Amen!«
Die Turmuhren rund um den Tower schlugen zehn Uhr. Zwei der Warders hoben ihre Trompeten und bliesen den Zapfenstreich. Dann marschierte die Wachmannschaft über den Hof davon. Die Vampire warteten, bis die Männer hinter dem White Tower verschwunden waren, ehe sie ihren Weg fortsetzten.
Alisa schlenderte hinter den anderen her und ließ ihren Blick über die Gruppe von Vampiren schweifen. Sie suchte nach Malcolm und hoffte, er würde ihr noch mehr über die berühmte Londoner Festung erzählen.
Es prickelte in ihrem Rücken. Ja, es fühlte sich so an, als streiche ihr jemand sanft über das Haar. Es war, als berührten Fingerspitzen ihren Hals, verharrten für einen Moment, wanderten an ihrer Schulterlinie entlang und dann ganz langsam über ihren Rücken. Alisa zuckte zusammen. Es schauderte sie. Ein heißes Prickeln breitete sich über ihren ganzen Körper aus und ließ sie erbeben. Sie fuhr herum und starrte Franz Leopold an, der noch immer am Fuß des Turmes stand, durch dessen Tor sie den Hof betreten hatten, und zu ihr herübersah. Obwohl er einige Dutzend Schritte entfernt und der Mond noch nicht aufgegangen war, glaubte Alisa für einen Moment, die alte Zärtlichkeit in seinem Blick zu erkennen. War seine Liebe zu ihr doch noch nicht erkaltet? Gab es etwa Hoffnung für sie?
Ein Glücksgefühl rieselte durch ihren Körper und ließ ihre Miene erstrahlen. Sie hob die Hände und wollte auf ihn zugehen, als die Wärme in seinem Blick erlosch. Alisa erstarrte. Es war ihr, als habe jemand einen Kübel Eiswasser über ihr ausgeschüttet, so viel Kälte war in seinen Augen.
Zum Glück legte sich in diesem Moment eine Hand auf ihre Schulter, und Malcolms warme Stimme schmolz die eisige Verzweiflung.
» Alisa, da bist du ja. Komm mit, du willst doch sicher alles über den Tower hören, was ich darüber gehört habe, wissbegierig wie du bist.«
Alisa bemühte sich, sein Lächeln zu erwidern. » Aber ja, du musst mir alles erzählen. Ich brenne darauf, noch mehr blutrünstige Anekdoten zu hören.«
» Da bist du hier am richtigen Ort«, erwiderte er schmunzelnd. » Wir haben den Hof gerade
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