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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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bleibe, so ist das besser, als ausgeschlossen und weggeschickt zu werden.
    Ivy runzelte die Stirn. » Diese Haltung steht dir nicht, mein Bruder. Demut und Resignation? Wo ist der stolze Werwolf geblieben?«
    Du selbst hast ihn davongejagt!
    Ivy nickte mit trauriger Miene. » Ja, vielleicht ist es so. Ich kann nur hoffen, dass er irgendwann zurückkehrt.«
    Während Seymour über ihre Worte und deren Bedeutung nachgrübelte, ließ sich Ivy vor dem Altar in den Schneidersitz sinken. Sie legte ihre Hände locker auf ihre Knie, die Handflächen nach oben gekehrt, und schloss die Augen. Seymour spürte, wie sie ihm entglitt. Sie verließ die Kirche, obgleich ihr Körper sich nicht von der Stelle rührte, doch es blieb nur noch eine leere Hülle zurück. Ihr Geist war auf Reisen. Seymour ließ sich neben ihr nieder und versuchte mitzubekommen, wohin Ivy sich aufmachte.
    *
    Ivy erwachte in einem Sarg. Sie witterte die vertraute Erde in den Kisten um sie herum. Sie spürte das Schwanken der Planken unter sich. Es roch nach Moder und Salz, nach nassem Holz und auch ein wenig nach Furcht, die das ganze Schiff erfasst zu haben schien. Sie blieb reglos auf dem Rücken liegen und lauschte ihrer eigenen Gier, die in Wellen in ihr aufstieg. Es wurde Zeit, auf die Jagd zu gehen. Der Blutdurst rauschte in ihren Ohren, und sie verspürte Lust zu töten. Sie überlegte sich, ob sie es sich leisten konnte, noch ein Besatzungsmitglied zu verlieren. Es wäre nicht klug, die Mannschaft zu sehr zu schwächen. Noch immer herrschte raues Wetter, und sie mussten noch ein ganzes Stück der französischen Küste folgen, ehe sie den Kanal erreichten. Und doch war die Gier übermächtig.
    Es war nicht die schmale, weiße Mädchenhand, die den Sargdeckel aufstieß, obgleich die Haut ebenfalls blass war. Ivy spürte, wie sich der kraftvolle Körper aufsetzte. Sie ahnte das Gesicht mit dem dunklen Schnurrbart und dem grausamen Lächeln, das nicht das ihre war. Und doch schien ihr Kopf den Gedanken zu gebären und aalte sich in der Erwartung des Blutfestes und des zuckenden Körpers jenes Mannes, der gleich unter ihren Reißzähnen zerfetzt werden würde.
    Nein!
    Das war nicht klug. Das Echo ihres Gedanken hallte über das Meer. Es würde noch so viele Nächte geben, in denen er sich ungezähmt seiner Lust und seinem Blutrausch würde hingeben können. Im Augenblick gab es ein höheres Ziel, das er zu erreichen strebte. Er musste rechtzeitig nach London gelangen. Die Nacht der langen Finsternis rückte unerbittlich näher und würde ohne ihn verstreichen, während das Schiff führerlos in den Wellen hin und her geworfen wurde. Und dann? Dann würde er ein ganzes, langes Jahr warten müssen, bis sich erneut die Gelegenheit bot.
    Warum konnte es nur in dieser Nacht gelingen?
    So genau wusste Dracula das nicht, und dennoch war er davon überzeugt, dass es wichtig war, den Zeitplan einzuhalten. Er wusste, dass er es wollte. Jetzt! Nicht in einem Jahr oder später, selbst wenn er eine ganze Ewigkeit vor sich hatte. Die Frage, warum es ihm nach so langer Zeit plötzlich so wichtig war, verwehte, ehe er sich länger mit ihr befassen konnte.
    Nein, er hatte die Mission begonnen, und er würde sie wie geplant zu Ende bringen. Selbst wenn dies bedeutete, dass er seine Gier in dieser Nacht zügeln musste und nur behutsam trinken durfte. In dieser Nacht und in so vielen weiteren, bis Londons Silhouette am Ufer auftauchen würde.

Ein Brief an Doktor van Helsing
    » Gibt es etwas Neues zum Fall unserer Toten in Whitechapel?«, erkundigte sich Alisa, noch ehe Lord Milton auf seinem Stuhl Platz genommen hatte.
    Der Vyrad lächelte, nahm sich aber Zeit, ehe er antwortete.
    » Ja, Gordon hat die Sache weiterverfolgt. Er kann euch berichten, was die Polizei im Laufe des Tages herausgefunden hat.«
    Er winkte den Vyrad, der sie in der Nacht zuvor begleitet hatte, zu sich und bat ihn, die Fakten zu nennen. Alisa lauschte aufmerksam und vergaß ganz, ihren Becher Blut zu trinken, den eine junge Vyrad ihr reichte.
    » Die Tote hieß Martha Tabram, und sie arbeitete als Prostituierte in der Gegend. Constable Barrett hat eine Zeugin ausfindig gemacht– eine Freundin, wie sie sagt–, die den größten Teil des Abends mit der Ermordeten verbracht hat. Mary Ann Connolly, die in der Gegend besser als › Pearly Poll ‹ bekannt ist und demselben Gewerbe nachgeht. Sie sagt, dass sie und Martha in der Whitechapel Road auf zwei Grenadiere trafen, die einem fröhlichen Abend

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