Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
dieser Stunde? Die Spur ist erst wenige Minuten alt!«
Malcolm nickte. » Sie muss in Schwierigkeiten stecken.«
Alisa konnte ihm nicht widersprechen. Das war zu befürchten.
Malcolm lief los. » Komm! Worauf wartest du?«
Alisa raffte die Röcke und folgte ihm.
» Sie ist nicht allein«, rief er, während sie neben ihm herlief. » Eine Frau ist bei ihr. Sie muss deutlich älter sein als Latona, ist jedoch noch keine alte Frau.«
Malcolm verlangsamte seinen Schritt für einige Momente, um neu Witterung aufzunehmen, dann, als sie auf die trotz der späten Stunde noch recht belebte Commercial Road einbogen, hielt er schlitternd inne.
» Wir sind falsch«, stöhnte er.
» Was?« Alisa blieb neben ihm stehen.
» Wir laufen in die falsche Richtung!«
Alisa konzentrierte sich auf die Spuren und nickte dann. » Ja, du hast recht. Latona und die Frau sind von hier gekommen und dann zum Lodging House gegangen, aber nicht wieder zurückgekommen.«
Malcolm wartete nicht ab, bis sie ihren Satz zu Ende gesprochen hatte. Er lief bereits zur Herberge zurück und folgte dann der engen, gewundenen Gasse weiter. Nun wurde die Spur immer frischer. Sie waren auf dem richtigen Weg und hatten keine Schwierigkeiten, der Witterung zu folgen. Alisa spürte, wie eine Wolke der Hoffnung um Malcolm herum aufstieg, und sie fühlte fast so etwas wie Neid. Nun würde er doch noch ganz unverhofft in dieser Nacht zu seinem Glück finden.
Malcolm, der ein Stück voraus war, hielt am Ausgang eines finsteren Durchgangs inne. » Hier ist sie stehen geblieben und hat gewartet«, sagte er und runzelte die Stirn.
Alisa beugte sich herab, um jede Nuance der Witterung aufzunehmen. » Ja, die andere Frau ist aber weitergelaufen. Vielleicht waren sie gar nicht zusammen unterwegs. Vielleicht ist Latona der Frau gefolgt.«
» Warum sollte sie das tun?«
Alisa hob die Schultern. Auch sie wusste keine Antwort auf diese Frage. Gemeinsam traten sie auf die Straße hinaus. Schon nach wenigen Schritten gesellte sich eine dritte Witterung zu den Spuren der Frauen. Ein Mann, der aus einem der schmalen Durchgänge gegenüber getreten sein musste und nun in die gleiche Richtung unterwegs war. Malcolm folgte weiter Latonas Spur, doch Alisa blieb stehen. Sie beugte sich tief herab, um die neue Duftnote in all ihren Facetten in sich aufzunehmen.
» Was ist? Nun komm schon!«, forderte Malcolm die Vamalia ungeduldig auf, doch Alisa rührte sich nicht. Stattdessen wich sie zurück und folgte der Spur des Mannes bis zur Eingangstür des Hauses, neben der er einige Zeit an der Wand gelehnt haben musste. Davon sprach der intensivere Geruch, den Alisa in sich aufsog.
» Alisa! Was soll das?« Verärgert kam Malcolm zurück, stutzte aber, als er Alisas Miene sah.
» Was ist?«, fragte er alarmiert.
» Bitte überprüfe diese Spur, vielleicht bilde ich mir etwas ein, doch ich finde, diese unterdrückte Leidenschaft springt einen geradezu an. Es fiel mir schon auf der Gasse draußen auf, aber hier kann ich es noch deutlicher riechen. Es ist keine Angst, aber ein ähnlich beherrschendes Gefühl. Erregung, Zorn und Zerstörungswut«, fügte sie leise hinzu.
» Eine Art Blutdurst?«, fragte Malcolm, und seine Stimme zitterte.
Alisa nickte mit unbehaglichem Blick. » Und das ist nicht alles. Riech einmal hier an diesem Fleck, wo er sich mit seinem Mantel an die Wand gelehnt hat. Das ist Blut, nicht wahr? Und es ist nicht sein eigenes!«
Malcolm beugte sich vor, bis seine Nase nur noch einen Zoll von der Wand entfernt war. Er schloss die Augen und sog die Luft ein. Konzentriert versuchte er die verschiedenen Nuancen voneinander zu trennen.
» Ja, da ist Blut«, bestätigte er. » Von einer Frau, die wir schon einmal gewittert haben.« Er überlegte und riss dann die Augen auf. » Mary Nichols?« Malcolm starrte Alisa entsetzt an.
Die Vamalia nickte unglücklich. » Ja, so kam es mir auch vor.«
» Dann ist unser gesuchter Mörder dort vorne irgendwo in einer dieser Gassen unterwegs?«, stieß Malcolm hervor.
» Wo sich vermutlich auch Latona und die andere Frau im Moment befinden!«, ergänzte Alisa und stürzte auf die Gasse zurück. Malcolm folgte ihr. So schnell es ging, ohne die Witterung zu verlieren, rannten sie die Gasse entlang.
Bei allen Dämonen der Hölle! Alisa hoffte mit all ihrer Kraft, dass sie nicht zu spät kommen würden.
Das Geisterschiff
Nebelschwaden zogen über die nächtliche Themse. Der Wind war seit Mitternacht abgeflaut, und nun, in
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