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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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dreistöckigen Gebäude stehen und klopfte an die Tür. Es dauerte eine Weile, ehe geöffnet wurde.
    » Ah, Annie, komm rein.«
    Ein Kopf mit wirrem, grauem Haar über einem zerfurchten Gesicht erschien und sah die Straße hinauf und hinunter. Der Blick blieb an Latona hängen.
    » Suchst du auch einen Schlafplatz?« Ein knochiger Finger winkte sie heran. » Dann komm nur herein.«
    Wieder schienen Latonas Beine ein Eigenleben zu entwickeln, obwohl es sicher besser gewesen wäre, sich auf die heller erleuchtete Hauptstraße zurückzuziehen.
    » Was ist das für ein Haus?«, fragte sie ein wenig zaghaft.
    » Du bist nicht von hier?«, krächzte die Alte. » Mein Haus ist das Common Lodging House der Thrawl Street . Das Lager vier Pence, ein eigenes Bett acht, ein Platz am Tau im Flur zwei.«
    Eine Herberge für Arme also mit einem gemeinschaftlichen Strohlager und Kammern mit Betten für die, die sich mehr Komfort leisten konnten. Latona trat hinter Annie in den Flur. Ansehen konnte sie es sich ja einmal. Dies schien nicht, wie sie zuerst befürchtet hatte, ein Hurenhaus zu sein.
    Der Gestank, der ihr entgegenschlug, war unglaublich. Obwohl es ihr nicht sehr warm erschien, war es feucht und stickig, und die Mischung aus den vielen ungewaschenen Leibern und den Dämpfen, die aus der Jauchegrube aufstiegen, raubten Latona den Atem. Sie musste ein Würgen unterdrücken.
    Die Hauswirtin musterte Latona mit gierigen Augen. » Was willst du, Mädchen?« Sie drängte sich an einigen zerlumpten Gestalten vorbei, die halb schlafend an der Wand lehnten, und führte Latona– die längst entschieden hatte, dass sie hier ganz sicher niemals schlafen würde– zu einer Tür, durch die sie einen Blick in den düsteren Raum dahinter werfen konnte. Auf einer Schicht schmutzigen Strohs, die sicher schon eine Ewigkeit nicht mehr erneuert worden war, lagen dicht an dicht unzählige Menschen. Sie schnieften und husteten, schnarchten oder lallten vor sich hin. Zwei Ratten tauchten aus einer finsteren Ecke auf und trippelten zwischen den Schlafenden hindurch. Einer der Schlafenden wachte auf und trat nach den Nagern, die sich aber nicht stören ließen und ihren Weg unbekümmert fortsetzten.
    Die Wirtin grinste schräg und zeigte ihre wenigen Zahnstummel, die ihr noch geblieben waren. » Verlangt es die Dame nach etwas Vornehmerem?«, spottete sie. Offensichtlich war ihr Latonas entsetzte Miene nicht entgangen.
    Latona wich in den Flur zurück. » Nein, danke. Ich habe mich entschlossen, noch ein wenig weiterzuziehen.«
    » Komm zurück, wenn du es dir anders überlegst. Wenn du zahlen kannst, dann habe ich auch ein Bett– alleine oder zu zweit. Es ist alles eine Frage des Preises.«
    Latona nickte. Sie stieß gegen eine Frau, die unter Protesten die Augen aufriss, dann aber mit dem Oberkörper nach vorne über ein dickes Seil sank und wieder eindöste. Nun erst erkannte Latona, dass alle hier irgendwie in oder über diesem Seil hingen. Konnte man so schlafen?
    Sie starrte die Herbergswirtin mit offenem Mund an. Diese hob die Schultern. » Wer nur zwei Penny hat, der muss eben im Flur bleiben. Bis zum Morgengrauen lass ich sie hier schlafen, dann zieh ich den Strick.« Sie zeigte wieder ihr zahnloses Grinsen und deutete auf einen Eisenring in der Wand, an dem das Tau befestigt war. Wenn sie an der Schnur zog, fiel das Tau zu Boden. Ihrer Stütze beraubt, stürzten die Schlafenden zu Boden und übereinander. Ja, das war sicher eine wirksame Methode, selbst die noch Trunkenen aufzuwecken. Latona konnte sich lebhaft vorstellen, wie die Wirtin nach ihrem Besen griff und all die armen Teufel gnadenlos in den kalten Wintermorgen hinausjagte.
    Das Weib wandte sich wieder an Annie, die sehnsüchtig nach dem Schlafraum blickte, und streckte ihre schwielige Hand vor. » Vier Pence, sonst lass ich dich nicht rein.«
    » Ich geb sie dir morgen, versprochen!«
    Die Wirtin schüttelte den Kopf. » Nein! Das weißt du genau. Auf so was lass ich mich nicht ein. Entweder du gibst mir augenblicklich vier Pence oder du gehst wieder. Ich hab nichts zu verschenken. Ich bin eine hart arbeitende Frau, die nach jedem Penny sehen muss, wenn sie über die Runden kommen will.«
    Latona kramte in ihrer Rocktasche. » Darf ich Ihnen…«
    Annie unterbrach sie. » Nein!«, sagte sie barsch und musterte Latona mit Erstaunen.
    » Nein, Mädchen«, wiederholte sie dieses Mal sanfter. » Ich denke, du brauchst dein Geld selbst dringend. Ich komm schon zurecht.«
    Sie

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