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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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den letzten Stunden vor dem Morgengrauen, ganz eingeschlafen. Ein Dreimaster glitt auf den Pier des Londoner Hafens zu, an dem bereits zwei andere Hochseesegler vertäut waren. Langsam und unaufhaltsam trieb er näher. Die Segel hingen schlaff herab, dennoch schob er sich weiter auf die anderen Schiffe zu, ohne auch nur Anstalten zu zeigen, beizudrehen.
    Die beiden Männer, die auf dem vorderen Segler Nachtwache hielten, sprangen auf, als der Bug aus dem Nebel auftauchte.
    » Was ist denn das für ein Idiot?«, schrie der Matrose. Der andere Seemann riss die Laterne hoch und begann sie hektisch zu schwenken.
    » Beidrehen, beidrehen!«, brüllte er.
    » Die werden uns rammen«, rief der Matrose entsetzt.
    Auch auf dem zweiten Schiff hatte man die Gefahr nun bemerkt und machte sich mit Licht und Rufen bemerkbar, doch die Besatzung des fremden Dreimasters schien mit Blindheit und Taubheit geschlagen zu sein, und das Schiff setzte seine Fahrt unerbittlich fort.
    » Was können wir nur tun?«
    » Nichts«, antwortete der andere, der weiterhin mit seiner Lampe Signale gab.
    Der Bugspriet des Dreimasters schob sich bereits über die Reling des vertäuten Frachters. Die Männer zogen die Schultern hoch. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich irgendwo festzuklammern und den unausweichlichen Aufprall abzuwarten.
    In spitzem Winkel schob sich der Bug auf das andere Schiff. Holz knirschte auf Holz, dann glitt die Odysseus an dem Frachter entlang und bohrte sich in die Lücke zwischen den beiden vertäuten Seglern. Die Männer sahen mit aufgerissenen Mündern das fremde Schiff vorbeigleiten. Sie konnten gar den Mann am Steuerruder sehen, der nichts tat, um die Kollision zu verhindern!
    » Na, den werde ich mir vorknöpfen!«, drohte der Matrose mit geballten Fäusten, als die Odysseus mit einem letzten Zittern zwischen den beiden Schiffen verkeilt zum Stehen kam.
    Die beiden versicherten sich noch, dass der Schaden an ihrem Frachter nicht dramatisch war, dann liefen sie los und schwangen sich über die an ihr Gegenüber gepresste Reling auf das andere Schiff.
    » He, Mann, was ist mir dir? Bist du blind oder besoffen?« Sie stürmten auf den Seemann zu, der etwas vorgebeugt am Steuerrad stand. Ja, fast schon darüber hing. Er rührte sich nicht.
    Der Matrose bemerkte als Erster, dass sich der Fremde am Steuer festgebunden hatte. Seltsam. Waren sie durch solch stürmische See gefahren? Ja, sie hatten von ungewöhnlich heftigen Stürmen vor der Küste Spaniens und Frankreichs gehört, aber doch nicht auf der Themse!
    Der Matrose trat noch näher. Der Mann am Steuer rührte sich noch immer nicht. Sein Kamerad blieb zögernd zurück.
    » Da stimmt doch etwas nicht.«
    » Ja, genau, er hat unser Schiff gerammt«, rief der Matrose erzürnt. Dann aber verstummte er, als ihm klar wurde, dass der Steuermann weder taub noch betrunken war.
    » Er ist tot, nicht wahr?«, hauchte der andere, der nun ängstlich zurückwich. » Fass ihn bloß nicht an! Das ist ein Geisterschiff. Sie sind alle tot, das sage ich dir.«
    Auch der Matrose zögerte. Er ging ein wenig in die Knie, um dem Toten ins Gesicht zu sehen, scheute sich aber ebenfalls, ihn zu berühren. » Die Pest scheint es nicht zu sein, aber vielleicht irgendein Fieber, das sie mitgebracht haben«, vermutete er.
    » Ja, und das wir nun nach London einschleppen, wenn wir nicht aufpassen. Komm schnell, wir machen uns davon. Das ist Sache der Hafenpolizei. Wir wollen nur hoffen, dass sie uns nicht gleich mit unter Quarantäne stellen.«
    Der Matrose stand noch immer neben dem Toten und betrachtete ihn eingehend.
    » Ja, vielleicht war es ein Fieber. Ich kann nichts anderes sehen, außer einer kleinen Wunde am Hals und einer Blutspur, die ein paar Flecken an seinem Hemd zurückgelassen hat.«
    Endlich wandte er sich ab. Obgleich sein Kamerad darauf bestand, sofort von Bord zu gehen, drängte die Neugier den Matrosen, die Kapitänskajüte des Geisterschiffs aufzusuchen. Die Planken schienen unnatürlich laut unter seinen Stiefeln zu knarren, als er den Niedergang herabstieg und dem schmalen Gang folgte. Er warf einen Blick in die verlassene Kombüse und die ebenso leere Messe. Sein Kamerad folgte ihm nicht. Er beeilte sich, auf sein eigenes Schiff zurückzukehren, um die Hafenpolizei zu benachrichtigen.
    Zaghaft schritt der Matrose weiter. Außer seinen Schritten war nichts zu hören. Es war ein Geisterschiff! Die ganze Besatzung war tot und in den Wellen des Ozeans verschwunden. Ein

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