Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
und es ernst wird. Alisa, darf ich bitten?«
Sie sprang hastig auf, eilte zu Vincent und reichte ihm die Hände.
» Äh, es ist vielleicht doch besser, wenn du sitzen bleibst und ich mir nicht so den Hals verrenken muss«, sagte er und führte sie zu ihrem Stuhl zurück. Dann begann er mit einer Art Hypnose, der sie widerstehen musste, ohne jedoch den Blickkontakt zu unterbrechen. Ja, der Drang, in tiefen Schlaf zu versinken, war dem Gefühl bei Sonnenaufgang durchaus ähnlich.
Vincent quälte sie noch eine Weile, bis Alisa trotz aller Anstrengung die Augen zufielen. Dann ließ er von ihr ab und nahm sich Fernand vor, der sich ganz gut schlug. Erstaunlicherweise hielt auch Marie Luise seinen Hypnoseversuchen stand. Sogar länger, als es Alisa gelungen war. Hatte sie sich entschlossen, nun doch mitzumachen, oder fiel es ihr aufgrund ihrer eigenen geistigen Fähigkeiten einfach leichter als den anderen? Dann dürfte Leo noch weniger Probleme damit haben. Er war Marie Luise in allen Dracastalenten deutlich überlegen. Tammo gähnte bereits, als Vincent ihn zu sich rief, und es gelang ihm auch nicht, dem beschwörenden Blick des Vyrads lange zu widerstehen. Seine Lider sanken herab, sein Kopf fiel zur Seite. Er gab sogar einige Schnarchtöne von sich, ehe Alisa ihn rüde wach rüttelte.
Tammo brauchte einige Momente, bis er wieder wusste, wo er war und was sie hier taten. Dann fluchte er ganz fürchterlich.
» So ein Ärger! Ich will das aber lernen. Nicht auszudenken, was sich da für Möglichkeiten bieten, wenn alle anderen gezwungen sind, in ihren Särgen zu ruhen, und ich draußen ungestört tun kann, was ich will.«
Abenteuerlust blitzte in seinen Augen und Alisa fragte sich, ob es nicht für alle besser wäre, wenn Tammo diese Fähigkeit nicht so schnell erlernen würde.
Spielverderber!
Es war schon beunruhigend genug, wie virtuos er sich das Gedankenlesen bei den Dracas angeeignet hatte.
Ha! Dabei hast du mich immer gedrängt, dass ich das Lernen ernsthafter betreiben soll. Und nun ist es auch wieder nicht recht.
Alisa überlegte, ob sie sich in Zukunft nicht nur darauf konzentrieren sollte, ihren Geist vor Leo zu verschließen, was sie bereits beträchtliche Anstrengungen kostete. Vermutlich war sie gerade deshalb zu nachlässig, sobald er nicht in der Nähe war. Vincent rief sie wieder zur Ordnung.
» Die Sonne kommt näher. Könnt ihr sie spüren? Rasch, lasst uns noch eine Übung machen, ehe sich zeigen wird, wie weit ihr heute schon gekommen seid. Wieder begann er mit Alisa. Dieses Mal sollte sie die Augen schließen und sich seiner Hypnose hingeben, bis er ihr den Befehl erteilte, dagegen anzukämpfen. Vincent begann mit eindringlicher Stimme auf sie einzureden. Die Kinderstimme drang in ihren Geist und legte sich um ihre Gedanken, umschloss sie so fest, dass sie nicht mehr anders konnten, als seinen Anweisungen zu folgen. Alisa erhob sich, die Augen fest geschlossen, und ließ sich von Vincent durch das Zimmer dirigieren. Dann gab er den Befehl.
Wie konnte sie sich gegen ihn wehren? Warum nur sollte sie seinen Worten nicht mehr folgen? Ihr Kopf war von der hellen Knabenstimme erfüllt.
Noch einmal erklang dieser Misston, der sie aufforderte, dagegen anzukämpfen. Ein wenig zog sich der Meister ihrer Gedanken zurück, gerade so weit, dass Alisa sich entschließen konnte, den Kampf zu wagen.
Es dauerte noch eine ganze Weile, ehe Alisa wieder aus der Hypnose auftauchte. Sie schüttelte heftig den Kopf, sodass sich ihre ohnehin schon verrutschte Frisur völlig auflöste und das Haar ihr lang über den Rücken herabfiel.
» Und, wie war es?«, wollten Tammo und Fernand wissen.
Alisa überlegte, wie sie es am besten in Worte fassen konnte.
» Am Anfang kommt es einem vor, als würde man alles durch dichten Nebel sehen oder durch Wasser laufen, so träge und langsam ist man bei jeder Bewegung. Jeder Gedanke scheint im Kopf wie zäher Sirup. Man denkt nur daran, sich endlich hinlegen und die Augen schließen zu dürfen. Schlafen und vergessen. Es ist eine Qual, dagegen ankämpfen zu müssen.«
Vincent nickte. » Ja, so könnte man es beschreiben.« Er nahm sich noch Fernand und Marie Luise vor, doch ehe er die Übung mit Tammo machen konnte, ging die Sonne auf. Tammo sah Vincent mit zunehmend glasigen Augen an. Malcolm tauschte mit dem Servient einen raschen Blick.
» Jetzt kommt es darauf an. Kämpft, als würde eure Existenz davon abhängen. Es ist nicht anders, als gegen meine Hypnose
Weitere Kostenlose Bücher