Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
erträglicher und auch leichter.«
» Ich habe keine Angst«, schimpfte Karl Philipp. » Du bist einfach unfähig und zu schwach, um anderen etwas beizubringen.«
Rowena starrte ihn nur überrascht an, dafür wurde es Mervyn nun zu bunt. Er stürmte auf Karl Philipp zu und herrschte ihn in einem hitzigen Tonfall an, den die anderen bei dem sonst so ruhigen Lycana noch nie gehört hatten.
» Jetzt reicht es aber! Du weißt selbst, dass du Blödsinn redest. Rowena macht das sehr gut. Wie du siehst, machen wir alle große Fortschritte. Du bist der Einzige, der es nicht hinbekommt, vermutlich, weil dir deine eigene Arroganz im Weg steht. Oder du bist ganz einfach zu dumm dazu, diese Fähigkeit zu lernen.«
Karl Philipp ballte die Fäuste und hätte vermutlich zugeschlagen, wenn Franz Leopold ihm nicht in den Arm gefallen wäre. Sein Ton war im Gegensatz zu dem Mervyns leise und kalt.
» Reiß dich zusammen oder fahre nach Wien zurück! Mervyn hat recht. Du bist so abgrundtief dumm, dass ich mich schäme, derselben Familie anzugehören. Wenn du dich nur ein kleines bisschen anstrengen würdest, könntest du von den Vyrad wertvolle Dinge lernen, statt deine Kraft und Zeit damit zu verschwenden, hochmütig alles abzulehnen und dich zu verweigern. Du musst die Vyrad ja nicht lieben, aber wenn du nur ein Fünkchen Verstand hast, siehst auch du, dass es für alle von Vorteil ist, wenn wir zusammenarbeiten, um in unserer gemeinsamen Zeit so viel zu lernen wie nur möglich.«
Beachtlich, dachte Luciano und nickte anerkennend. Wenn ich denke, wie Leo noch vor ein paar Jahren dahergeredet und sich gar nicht so viel anders aufgeführt hat wie Karl Philipp jetzt.
Danke für die Blumen, ertönte Leos Stimme in seinem Kopf.
Aber genau so ist es! Du hast dich früher auch so benommen.
Ja, vielleicht, aber es ist ein Zeichen von Intelligenz, wenn man in der Lage ist, sich zu seinem Vorteil weiterzuentwickeln.
Luciano grinste breit. Wenn du es sagst. Dann wollen wir mal sehen, ob in Karl Philipp auch ein Fünkchen Intelligenz zu finden ist.
» Versucht es noch einmal«, forderte Leo Rowena und seinen Vetter auf. Die Vyrad blickte zwar zweifelnd drein, streckte aber bereitwillig Karl Philipp die Hände entgegen. Der machte ein mürrisches Gesicht, griff jedoch zu, und dieses Mal war tatsächlich eine Veränderung zu sehen. Seine Züge wurden weicher, verschwommener, und das Schwarz seines Frackes verblasste.
» Das war gut«, lobte Rowena herzlich und erntete sogar den Hauch eines Lächelns. Mervyn und Luciano tauschten erleichterte Blicke. Es würde viel einfacher werden, wenn sich Karl Philipp nicht ständig gegen alles sträuben und mit seinem Schimpfen die Stimmung vermiesen würde.
Die Mienen auf der anderen Seite der Gittertür waren unterdessen ziemlich abweisend. Clarissa beobachtete die Erben mit vor der Brust verschränkten Armen, die Unterlippe schmollend vorgeschoben. Ivys Miene war dagegen undurchdringlich. Dann wandte sie sich plötzlich, ohne ein Wort zu sagen, ab und verschwand die Kellertreppe hinauf. Selbst Seymour bemerkte es erst nach einigen Augenblicken und rannte ihr hinterher.
Die Erben setzten ihre Übungen fort, bis Luciano herzhaft gähnte und verkündete, er würde jeden Moment umfallen. Auch die anderen spürten die sich dem Horizont nähernde Sonne.
» Gut, machen wir Schluss für heute«, sagte Rowena und trat durch das Gitter. Anders als vorhin Lady Margaret löste sie sich völlig auf. Die Nebelschwaden waberten durch die Gitterkreuze und zogen sich auf der anderen Seite wieder zusammen, bis Rowenas Gestalt immer deutlicher zu erkennen war.
Die Vyrad drehte sich zu den anderen um und lächelte breit, während sie den Schlüssel für das Gitter von einer Hand in die andere warf.
» Ich suche mir jetzt einen gemütlichen Sarg. Wie sieht es mit euch aus?«
» Ah, jetzt kommt die Sache mit der Motivation«, erinnerte sich Franz Leopold und trat forsch an das eiserne Hindernis heran. Sein Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung, und es sah auch wirklich so aus, als wollte es ihm gelingen, sich aufzulösen, doch dann wurde seine Gestalt wieder deutlicher, und er schlug wütend mit der Faust gegen die Eisenstäbe. Luciano unternahm nur einen halbherzigen Versuch. Er fühlte sich schon viel zu müde, ja, er war schon so schläfrig, dass er die anderen nur noch verschwommen sah, was nicht daran lag, dass sie mit ihren Bemühungen Erfolg gehabt hätten! Nein, heute würde er sich nicht mehr
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