Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
erinnern, uns getroffen zu haben?«
Leo nickte. » Sonst habe ich etwas falsch gemacht. Doch davon gehe ich nicht aus. Es ist recht leicht bei Menschen. Das kannst du nicht damit vergleichen, den Geist eines anderen Vampirs zu manipulieren. Menschen sind so einfältig, das würdest du auch hinbekommen.«
» Danke.« Luciano zog eine Grimasse.
» Das war als Kompliment gemeint!«
Luciano sah den Dracas misstrauisch von der Seite an. » Das bin ich von dir nicht gewöhnt.«
» Schon möglich«, murmelte Leo. Er blieb stehen und fasste sein nächstes Opfer ins Auge. » Ich glaube, der ist richtig. Was meinst du, wie alt der ist? Mindestens sechzig, würde ich sagen. Wenn er also schon länger hier arbeitet, müsste er etwas wissen.«
Forschen Schrittes trat Franz Leopold auf den Wächter zu, dessen Blick schon ein wenig glasig wirkte, ehe der Dracas seinen Geist überhaupt berührte. Die Ursache war schnell klar. Als sie näher traten, schlug ihnen eine scharfe Ginfahne entgegen. Angewidert verzog Luciano das Gesicht.
» Den würde ich nicht mal beißen, wenn man mich darum bittet!«
» Das würde dir auch nicht bekommen«, vermutete Franz Leopold und trat einen Schritt zurück.
» Was ist?«
Auffordernd hob er die Hand. » Möchtest du dein Glück versuchen?«
» Ich?« Luciano zögerte. » Ich habe doch gar keine Erfahrung damit. Was, wenn ich es versaue?«
» Ach was. Bei der Menge Gin, die der heute Nacht schon geschluckt hat, wird er sich sowieso an nichts mehr erinnern. Und wenn es aus dem Ruder zu laufen droht, helfe ich dir.«
Luciano sah Leo misstrauisch an. Wollte er ihm vielleicht eine Falle stellen?
» Womit habe ich dieses Misstrauen nur verdient«, säuselte der Dracas.
» Das fragst du noch?«, knurrte Luciano. » Denk mal über dein Verhalten in den vergangenen Jahren nach!«
Der betrunkene Wachmann unterbrach die beiden. » Was wollt ihr denn hier?« Er ließ seinen Blick über ihre dunklen Fräcke bis zu den feinen Lederschuhen wandern.
» Ihr seht nicht so aus, als würdet ihr hierher gehören. Also, raus mit der Sprache, wie seid ihr hier hereingekommen? Feine junge Herren, die sich an unseren Gefangenen ergötzen wollen, äh? Ein wenig beim Auspeitschen zusehen, was?« Er schien zu überlegen. » Kommt darauf an, was ihr dafür zahlt. Dann könnte ich mir das direkt überlegen.«
» Lass mich raten, deine Währung ist flüssig und heißt Gin«, gab Leo mit falscher Freundlichkeit zurück.
» Schlaues Bürschchen«, grinste der Wächter und ließ seine schwärzlich verfaulten Zahnstumpen sehen. » Wo kommt ihr denn her? So wie ihr sprecht, seid ihr nicht in England geboren, und schon gar nicht in London!«
Die beiden gingen nicht darauf ein. » Er gehört dir«, sagte Leo und wich ein wenig zurück, um dem Gestank zu entgehen, der dem Mund des Mannes entströmte.
Luciano näherte sich vorsichtig seinem Geist und glitt hinein, ohne auf Widerstand zu stoßen. Was für ein seltsames Durcheinander an Gedankenfetzen und Gelüsten! Es schien wirklich kinderleicht zu sein, ihn zu jeder möglichen Tat zu überreden.
Habe ich dir doch gesagt, bestätigte Leo, der ihn offensichtlich mit seinen Gedanken begleitete. Menschen sind so einfach gebaut – und dieser hier ganz besonders. Vermutlich hat der Gin ihm die Hälfte seines Hirns schon zerstört.
» Willst du uns nicht etwas erzählen?«, begann Luciano, nachdem er sicher war, dass er den Geist des Wächters fest im Griff hatte.
» Was denn?«, fragte der ein wenig undeutlich, aber bereitwillig, alles zu tun, was die beiden jungen Herren von ihm verlangten.
» Eine spannende Geschichte von irischen Widerstandskämpfern, die hier in euren Zellen eingesessen sind. Vermutlich vor etwa fünfzehn Jahren.«
Der Mann strengte sich wirklich an und dachte nach, was aber nur träge vonstattenging. » Da gibt es viele Fälle«, antwortete er unsicher. » Dieses Geschmeiß von Iren macht nichts als Ärger. Welchen Fall wollt ihr hören?«
Leo und Luciano sahen einander an.
» Ich sage nur: Posaunenstöße ließen die Mauern von Jericho einstürzen«, antwortete Luciano in einer plötzlichen Eingebung. Vielleicht konnte der Wächter mit diesem Hinweis ja etwas anfangen. Die beiden Vampire waren über die Intensität der Gefühle überrascht, die Lucianos Frage auslöste.
» Das meint ihr. Das war ja ein Ding! Diese verfluchten Fenier. Gott möge sie strafen und alle ausrotten. Katholisches Geschmeiß. Früher hat man sie auf dem
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