Die Erben der Schöpfung
selbst auf diesem überlaufenen Markt war sie stets auf Monate im Voraus ausgebucht, da sie zu den nur fünfhundert Ärzten im ganzen Land zählte, die tatsächlich geprüfte Fachärzte für Reproduktionsmedizin und Fruchtbarkeitsprobleme waren. Ironischerweise hatte ihr Privatleben mit ihrem Beruf keinerlei Berührungspunkte. Sie hatte nie heiraten und erst recht keine Kinder bekommen wollen und über ihre Unabhängigkeit gewacht wie eine Tigerin. Groß, dominant und selbstbewusst, wurde ihr attraktives Aussehen lediglich von ihrem Gefühl der Unfehlbarkeit übertroffen.
Richard beendete seine unbeholfene Schilderung ihrer medizinischen Bemühungen und sah Hiroko an, als wollte er ihr eine Redeerlaubnis erteilen. Und tatsächlich ergriff sie das Wort. »Dr. Baskin meinte, Ihnen würde vielleicht etwas einfallen, was uns zu einem Kind verhelfen könnte.« Sie sprach mit Akzent, jedoch fehlerfrei und gebildet. Kate spürte, dass sie klar und präzise dachte und eine angenehme Persönlichkeit hatte.
»Ich werde Sie anschließend gleich untersuchen, Mrs. Tate«, sagte Kate, »doch ich wollte zuerst mit Ihnen besprechen, welche Möglichkeiten Ihnen offenstehen. Nachdem ich Ihre Vorgeschichte und die Laborberichte gelesen habe, bin ich sehr zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, Ihnen zu einer Schwangerschaft zu verhelfen.«
Kate spulte ihren gewohnten Sermon ab. Obwohl sie in ihrer Praxis verschiedene Dienstleistungen anbot, wusste Kate, dass sie in Wirklichkeit nur für In-vitro-Fertilisation gebraucht wurde. Die medizinische Ökonomie brachte es mit sich, dass ihr Patientinnen von anderen Frauenärzten überwiesen wurden, die allen Patientinnen die gleiche Behandlung angedeihen ließen. Und Kate wusste etwas, was die meisten Patientinnen nicht wussten, nämlich dass es in der Gynäkologie ein ungeschriebenes Gesetz gab: Ein Paar, das ein halbes bis ein ganzes Jahr erfolglos versuchte, eine Schwangerschaft herbeizuführen, wurde von jedem Gynäkologen nach demselben Standard behandelt. Bei der Frau wurden die verschiedenen Hormonspiegel bestimmt und bei ihrem Partner ein Spermiogramm vorgenommen. Abgesehen von Fällen, in denen ein leicht zu behebendes Problem mit dem Eisprung oder dem Hormonspiegel vorlag, versuchte man es bei jedem Paar zuerst mit Clomifen und gelegentlich mit Gonadotropin. Wenn das nicht half, wurden die Patienten ein paar Monate später zu Kate überwiesen.
Obwohl es für Unfruchtbarkeit Dutzende von Gründen gab, war die allgemeine Patentlösung stets die In-vitro-Fertilisation. Das war Kate sehr recht, denn für IVF wurde gut bezahlt. Sie gab regelmäßig vor, dass es sich um ein komplexes Problem handelte, bei dem vielerlei Kriterien zu berücksichtigen waren, während sie in Wirklichkeit einen IVF-Laden betrieb. Durch ihren ausgeprägten Geschäftssinn war ihre Praxis zu einer gut geölten Maschinerie geworden. Termine für Erstpatienten wurden möglichst immer auf denselben Zeitpunkt gelegt wie die Sechsmonatsuntersuchung bei erfolgreichen Schwangerschaften, um neuen Patienten den Eindruck zu vermitteln, dass ihre Fruchtbarkeit aufblühte, sowie sie das Wartezimmer betraten. Kate kannte ihre Klientel und hatte die Praxis nach dem Geschmack eines anspruchsvollen Publikums gestaltet. Im Zentrum von Palo Alto betraten normalerweise nur Paare ihre Praxis, die sich ihre Honorare auch leisten konnten – und was wäre unbezahlbarer gewesen als das erste Kind?
Kates Vortrag war geschliffen und erzielte die erwünschte Wirkung. Sie erläuterte verschiedene Behandlungsmethoden und sprach über die wahrscheinlich zugrunde liegenden Faktoren, ehe sie das Gespräch auf die in ihren Händen so wirksame und ungefährliche IVF lenkte. Sie beschrieb kurz das Verfahren mit all seinen Implikationen und was die Tates sich davon erwarten konnten. Dann fragte sie, ob Richard oder Hiroko noch irgendwelche Fragen hätten, bevor sie mit den medizinischen Untersuchungen begann.
»Sie haben gesagt, meine Frau müsse Medikamente nehmen, damit sie die für das Verfahren nötigen Eier produziert. Haben diese Mittel irgendwelche Nebenwirkungen?«, fragte Richard besorgt.
Kate stellte die Beine nebeneinander und faltete die Hände im Schoß. Während des gesamten Gesprächs hatte sie nie ihre tadellose aufrechte Haltung vernachlässigt. Es war erstaunlich, dass in jedem Gespräch dieselben Fragen aufs Tapet kamen, meist sogar in derselben Reihenfolge. »Die meisten unserer Patientinnen berichten nicht von
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