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Die Erben der Schöpfung

Die Erben der Schöpfung

Titel: Die Erben der Schöpfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Anderson
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hatte, und so übernahm Jamie brav die undankbare Aufgabe, sich um sich selbst zu kümmern.
    Weil sie sich so nach dem schwer zu erlangenden Lächeln ihrer Mutter sehnte, konnte sie als Erste unter den Gleichaltrigen den Katechismus auswendig, hatte als Einzige die gesamte Bibel gelesen und war die Letzte, die Bier trank. Die anerkennenden mütterlichen Gesten wurden in der Highschool nicht häufiger, und so stürzte sich Jamie ganz aufs Lernen.
    Ihre naturwissenschaftliche Begabung war ebenso ausgeprägt wie ihre Ausdauer. Die Auszeichnungen kamen schneller, als sie sie verarbeiten konnte, wobei ihr Vater sich stets gern ihr Mathematiktalent als eigenes Verdienst anrechnen ließ. Zu Beginn ihres Studiums war sie selbstbewusst genug, um den Traum ihres Vaters, seine Tochter würde an die katholische Notre-Dame-Universität in Indiana gehen, zu zerstören und stattdessen den Bus nach New Haven und Yale zu nehmen.
    Ihr gesamtes Fundament fiel im College wie ein Kartenhaus zusammen. Jede Feder Moral, die sie sich unter der frommen Anleitung ihrer Eltern zugelegt hatte, wurde ihr von ihren Kommilitonen ausgerissen, die sich über ihre Biederkeit lustig machten und ihr gnadenlos die Augen öffneten. Schließlich verdrängte sie die quälenden Zweifel an ihrem Glauben ins Unterbewusstsein, wo sie langsam vor sich hin gärten, und konzentrierte sich ausschließlich auf ihr Studium.
    Da sie sich das Universum nicht erklären konnte, machte sie es sich zum Ziel, dadurch Erleuchtung zu suchen, dass sie etwas Wunderbares entdeckte, das den Schleier gerade weit genug lüftete, um ein bisschen mehr aus ihrem Leben zu machen, als es das inhaltsleere Dasein ihrer Eltern abgegeben hatte.
    Und nun hatte sie vielleicht endlich eine solche Entdeckung gemacht.
    Sie schreckte aus ihrem Tagtraum hoch. Der Schimpanse hatte sie derart beschäftigt, dass sie Paulos Einladung komplett vergessen hatte. Ihr wurde ganz flau im Magen, als sie begriff, dass sie an diesem Tag nicht nur einen, sondern zwei große Glücksfälle erlebt hatte, die noch dazu in zwei ganz verschiedene Richtungen führten.
    Wenn sie diesem Schimpansen auf den Fersen blieb, musste sie dann das Camp und damit Paulo verlassen? Zwei Jahre lang hatte sie ihn geachtet, im Gegensatz zu den meisten anderen, die in die Forschungsstation gekommen und wieder gegangen waren. Sie hatte nichts von ihm gebraucht, sondern ihn nur gern aus einer gewissen Distanz beobachtet, sich an den Geschichten erfreut, die er beim Essen erzählte, und ihn dafür bewundert, dass er nicht über die Moskitos schimpfte.
    Allerdings hatte sie in letzter Zeit immer öfter an ihn gedacht. Zumindest hatte sie sich immer öfter vor ihm blamiert. Sie ließ die halbe Banane auf dem Tisch liegen, marschierte hinaus und ging auf seine Hütte zu. Der Kloß in ihrem Magen wurde immer dicker, bis sie schließlich an Paulos Tür klopfte, dabei jedoch schon halb fürchtete, sie werde sich einfach umdrehen und wieder weggehen.
    Schon ging die Tür auf. »Hallo Jamie.« Paulos allzu gepflegtes Englisch, der deutlichste Hinweis darauf, dass es nicht seine Muttersprache war, klang in der Abendstille verblüffend laut. Er lächelte Jamie schief an und rieb sich mit der Faust die Augen.
    »Hoffentlich störe ich nicht.«
    »Nein, überhaupt nicht«, antwortete er hastig. »Möchtest du reinkommen? Eine Tasse Kaffee vielleicht?«
    Seemann?, ergänzte sie in Gedanken und wand sich innerlich vor Verlegenheit. »Gern.« Sie trat ein und schloss die Tür hinter sich. »Bist du sicher, dass du nichts anderes vorhast?«
    »Jedenfalls nichts Besonderes. Ich bin nur gerade das Inventar durchgegangen.«
    »Ich kann auch ein andermal…«
    Paulo warf ihr einen Blick über die Schulter zu. »Nein, setz dich doch. Ich brauche nicht mehr lang.« Er zeigte auf einen Stuhl neben dem Schreibtisch – den einzigen Stuhl im ganzen Raum –, ehe er durch eine der zwei Türen in der kargen Behausung verschwand.
    »Lass dir Zeit.« Langsam ging Jamie auf die gegenüberliegende Wand zu und betrachtete, was es da zu sehen gab.
    Zuerst musterte sie eine Sammlung von Schnitzarbeiten, die sich fast auf ihrer Augenhöhe befand. Mehrere groteske Figurinen starrten sie an. Wahrscheinlich Yanomami-Arbeiten. Sie waren beunruhigend und faszinierend, fremdartig und urtümlich. Neben den Figuren stand ein großes Kreuz aus Mahagoni, das eindeutig von einem Könner geschnitzt worden war. Als sie das Interesse an den Kunstgegenständen verlor, schlenderte Jamie

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