Die Erben der Schöpfung
Empfangstresen zu. Richard strich seiner Frau unbeholfen über den schmalen Unterarm. Er wollte schon zum Sprechen ansetzen, als die Empfangsdame, eine junge, mütterlich wirkende Frau in einem khakifarbenen Trägerrock, ihn aus seiner Verlegenheit rettete. »Würden Sie bitte mitkommen?«, sagte sie lächelnd zu den beiden. »Dr. Batoris Sprechzimmer ist gleich da vorn.«
Die elegante Einrichtung des Warteraums hatte Richard erstaunt. Das Ambiente erinnerte eher an die Lobby einer Bank als an eine Arztpraxis. Noch verblüffender war das Anmeldeverfahren gewesen. Er hatte bereits seinen Stift und die Versicherungskarte gezückt, in der Erwartung, dass man ihm ein Klemmbrett mit einem Blatt voller unerheblicher Fragen reichen werde, als die Empfangsdame abgewehrt hatte. »Das brauchen Sie heute noch nicht. Bitte machen Sie es sich einfach bequem, und ich sage Dr. Batori Bescheid, dass Sie hier sind.« Im Wartezimmer befand sich nur ein weiteres Paar, das nach einer ersten Musterung angestrengt den Blickkontakt zu den Tates vermied. Die Frau war offensichtlich schwanger, was Richard nicht entging.
Ein paar Minuten und etliche verlegene Blicke später wurden sie aufgerufen. Die Empfangsdame führte sie nicht etwa in einen sterilen, weiß eingerichteten Untersuchungsraum, sondern in ein geschmackvolles Arbeitszimmer mit einem edlen Mahagonischreibtisch und mehreren impressionistischen Drucken von jungen Mädchen am Klavier und am Strand. Dr. Batori trug ein schickes grünes Kostüm und lächelte sie offen und entwaffnend an, ehe sie um den Schreibtisch kam und ihnen beiden die Hand schüttelte. Sie bat sie, in zwei ausgesprochen bequemen Stühlen vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen, ehe sie sich einen dritten nahm und sich zu ihnen setzte.
Kate verabscheute diese Prozedur. Bei jeder neuen Patientin kam sie sich vor wie eine billige Schauspielerin, die nur des Geldes wegen Werbefilme für Abführmittel dreht. Doch sie war eine hervorragende Schauspielerin und handelte instinktiv richtig. »Erzählen Sie mir doch etwas über sich.«
Hirokos passiver Gesichtsausdruck bestätigte gewissermaßen, dass sie nicht die Absicht hatte, als Erste zu sprechen, also begann Richard. »Wir sind jetzt seit drei Jahren verheiratet. Kennengelernt haben wir uns vor etwa acht Jahren auf einem Kostümfest für arbeitslose Programmierer.« Er lachte gezwungen auf, was die Ärztin mit einem verständnisvollen Nicken quittierte. Sie studierte seine Miene, während er weitersprach. Er war also ein fünfunddreißigjähriger ehemaliger Computerfreak, mutmaßte sie, der wahrscheinlich einen Haufen Geld verdient hatte, als er irgendwann Ende der Neunziger bei einer neu gegründeten Internetfirma anfing. Nachdem seine Firma Pleite gemacht hatte, war er vermutlich zwei Jahre auf Reisen gegangen und hatte den größten Teil seines Geldes ausgegeben, da er glaubte, ohne Weiteres einen neuen Job zu finden. Während der folgenden Rezession war er dann aufgewacht, hatte festgestellt, dass ihm Reichtum und Prestige nichts mehr bedeuteten, und der ersten Frau, mit der er eine ernsthafte Beziehung hatte, einen Heiratsantrag gemacht.
Richard beschrieb ausführlich, wie sie seit anderthalb Jahren vergeblich versuchten, ein Kind zu bekommen, ohne Erfolg Fruchtbarkeitshormone ausprobiert hatten und sich nun sorgten, ob sie denn überhaupt je Kinder haben konnten. Kate lauschte geduldig, obwohl sie bereits alles wusste, was er ihr erzählte. Eine ihrer klügsten Geschäftsideen war es gewesen, eine ehemalige Krankenschwester einzustellen, die von zu Hause aus die ärztlichen Unterlagen sämtlicher neuer Patienten bearbeitete. Wann immer jemand ein Erstgespräch vereinbarte, forderten ihre Mitarbeiter die Patientenakten von den vorherigen Ärzten an. Da ihre Klientel fast ausschließlich per Überweisung zu ihr kam, gab es über alle Patienten ausführliche Unterlagen. Ihre Datenspezialistin las diese mit geschultem Blick durch und fasste Krankheitsgeschichte, Laborberichte und andere Untersuchungsergebnisse zu einem zweiseitigen Dokument zusammen, das am Morgen des jeweiligen Termins auf Kates Schreibtisch wartete. Die Zusammenfassungen waren stets lückenlos, und Kate wusste genau, wie sie mit ihren Patienten verfahren musste, bevor sie sie auch nur gesehen hatte. Die Gespräche und Untersuchungen dienten im Grunde nur als vertrauensbildende Maßnahmen, weiter nichts.
Kate war eine von vielen Spezialisten für In-vitro-Fertilisation in San Francisco. Doch
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