Die Erben der Schöpfung
Kolonie, grob in der Reihenfolge von deren Sozialstatus.
Geblieben war Sameers Problem, die Schimpansen zu lehren, sich aus neuen Nahrungsquellen zu ernähren. Zuerst, noch bevor sich die soziale Gliederung herausbildete, hatte er versucht, die Futterstationen näher an fruchttragenden Bäumen zu positionieren. Dies hatte nicht den geringsten Effekt, da die Schimpansen weder den Unterschied bemerkten noch die Bäume erkannten. Ebenso ignorierten sie Ameisen- und Termitenkolonien und machten keinerlei Anstalten, Kleintiere zu jagen.
Als die Nahrung knapper wurde, begannen manche Affen, gelegentlich auf Bäume zu klettern und sich umzusehen, als suchten sie nach vertrautem Gelände oder bekannten Nahrungsmitteln. Schließlich fand Sameer die Lösung. Er besorgte sich eines Nachts eine Leiter, band Früchte aus der Futterstation auf einen fruchttragenden Baum derselben Gattung und baute so eine Art »Obstspur« bis zu den oberen Zweigen.
Er schilderte Jamie, wie sehr er sich gefreut hatte, als er endlich durch seinen Feldstecher Schimpansen in den Bäumen hocken und dort gewachsene Früchte fressen sah. Im nächsten Monat machte er jede Nacht dasselbe mit einem Dutzend verschiedener Obstbäume. Nach fast zwei Jahren Laufzeit des Projekts suchten die Schimpansen selbstständig nach einheimischen Obstbäumen und waren nicht mehr von der Futterstation abhängig. Zu diesem Zeitpunkt war auch seine Anwesenheit für die Tiere zu etwas ganz Normalem geworden, und er wurde weder bedroht noch mit Rückzug bestraft, wenn sie ihn sahen. Zwar hatten die Schimpansen noch immer keine große Lust entwickelt, Insekten oder andere Tiere zu verspeisen, doch hatten sie eine mehr oder weniger stabile Kolonie gebildet und sich an die Lebensbedingungen am Amazonas angepasst.
Zwei weitere Jahre später kam die Katastrophe: Sieben erwachsene Männchen und vier Weibchen starben an einer Krankheit, die durch die Kolonie zog. Eine Zeitlang fürchtete Sameer, die Krankheit werde womöglich die ganze Population dezimieren. Doch nach ein paar Wochen hatte sich die Krankheit gelegt, und die Kolonie war intakt geblieben.
Im selben Jahr bekam eines der Weibchen, das im Inneren des Laborgebäudes gehalten wurde, männlichen Nachwuchs. Man sagte Sameer, dass eine Schimpansin trächtig sei und das Baby in einer natürlichen Umgebung aufwachsen solle. Die Mutter gewöhnte sich langsam an das neue Umfeld, und der Kleine gedieh. Zuerst häufig und dann immer seltener wurde das Junge zur Beobachtung ins Labor geholt, doch immer wieder nach draußen gebracht.
Irgendwann wurde dem Kleinen ein Funkhalsband angelegt, mit dem er stets gefunden werden konnte. Das Junge war bereits dadurch aufgefallen, dass es sich weniger bewegte und unselbstständiger war als die anderen in der Kolonie geborenen Schimpansen, doch es wuchs und gedieh.
Als drei Jahre ins Land gezogen und immer wieder neue Schimpansen in die Kolonie eingeführt worden waren, bis die Population fast hundert Tiere zählte, war Sameers Job wesentlich stressfreier und angenehmer geworden. Da er die Kolonie nun aus der Nähe beobachten konnte, wurde wenig mehr von ihm verlangt, als zu beobachten, zu forschen und ein bisschen Verwaltungskram zu erledigen, was ihm sehr entgegenkam. Er schloss seine Zusammenfassung gegenüber Jamie ab. »Es waren herrliche Jahre, in denen ich keine andere Verantwortung hatte, als den Schimpansen dabei zuzusehen, wie sie zu einer Familie zusammenwuchsen. Aber mit der Zeit wurde es langweilig. Also habe ich den Kindergarten eingerichtet, und damit wurde alles anders.«
»Was für einen Kindergarten?«, fragte Jamie.
»Wir sind gleich da. Ich dachte mir, wir fangen den Rundgang dort an«, erklärte Sameer. »Der Punkt war, dass es mir völlig misslungen ist, den Schimpansen das beizubringen, was Schimpansen in freier Wildbahn tun. Sie wollten weder mit einem Stock nach Termiten angeln noch Werkzeuge zum Knacken verschiedener Früchte verwenden noch Blätter als Trinkgefäße benutzen. Da habe ich mir gedacht, dass ich vielleicht mehr Erfolg hätte, wenn ich einigen der jüngeren Schimpansen in einer Art Kindergarten etwas beibringen würde, damit sie diese Fähigkeiten dann den anderen weitergeben können.«
»Aha.« Sie wartete immer noch darauf, dass er auf den genetisch veränderten Schimpansen zu sprechen kam.
»Ich habe einen Schimpansen ausgewählt, der bereits langsam abgestillt wurde und einen gewissen Zeitraum ohne seine Mutter auskommen konnte, und ihn zu
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