Die Erben der Schöpfung
Bewerbungsgespräch und verließ seine Postdoc-Stelle, um einen Posten anzunehmen, der zwar kaum seiner Ausbildung entsprach, jedoch wesentlich mehr Geld einbrachte als alles andere, was er je finden würde.
Die ersten Jahre bei diesem Projekt waren aufreibend gewesen. Bis heute hatte Sameer keine Ahnung, wie es möglich gewesen war, so schnell so viele Schimpansen aufzutreiben. Schimpansen waren nicht nur teuer, sondern auch Mangelware. Das Allerverblüffendste aber war, dass es irgendjemand sogar geschafft hatte, fünfzig geschlechtsreife Schimpansenweibchen zu besorgen.
Wie auch immer sie beschafft worden waren, Sameer erkannte die Ausmaße seines Problems, sobald die Tiere nach und nach eintrafen und ihre Unterbringung organisiert werden musste. Zuerst einmal waren die Schimpansen untereinander völlig inkompatibel, da sie aus ganz unterschiedlichen Regionen Afrikas und diversen Zookolonien stammten. Der neuen Kolonie mangelte es nicht nur an einer internen Sozialstruktur, sondern die Gewohnheiten und Verhaltensweisen der Tiere unterschieden sich so krass, dass die Integration zu einer enormen Herausforderung geriet.
Zweitens hatten die Verantwortlichen, die das Projekt ersonnen hatten, keine Vorstellung davon, wie schwierig es sich gestalten würde, die Schimpansen an eine neue Umgebung zu gewöhnen. Die Tiere wussten nicht, was sie essen und wo sie schlafen sollten, und verfielen entweder in Lethargie oder wurden extrem aggressiv und attackierten jeden anderen Schimpansen oder Menschen, der sich ihnen näherte.
Sameer hatte sich darauf verlegt, die Tiere einfach von einer geschützten, von außen beschickten Futterstation aus mit Bananen, Kochbananen und verschiedenen einheimischen Früchten zu versorgen. Die meisten Schimpansen gewöhnten sich recht schnell daran, andere allerdings nie, und sie schlichen auf der Suche nach vertrauten Nahrungsquellen ziellos herum. In dieser ersten Phase starben auch etliche Tiere.
Zu Sameers Frustration hatten die Verantwortlichen aus Gründen, die zu nennen sie sich hartnäckig weigerten, einen Teil der Population unbedingt außerhalb seines Zugriffs im Inneren des Labors halten wollen, darunter zwei Dutzend der gesündesten gebärfähigen Weibchen. Nach mehreren Monaten machten die Schimpansen noch immer keinerlei Anstalten, eine in sich geschlossene Population zu bilden. Mit Ausnahme einiger weniger verwandter Tiere, die gemeinsam gekommen waren, schlossen die Schimpansen keine Partnerschaften, zeigten kein Interesse daran, sich zu paaren oder Gruppen zu bilden, und verweigerten sogar die Körperpflegerituale von Zooaffen.
Eine Änderung trat schließlich ein, als Sameer die Nahrungszufuhr kürzte. Gezwungen, um das vorhandene Essen zu kämpfen, entwickelten die Schimpansen einen mörderischen Konkurrenztrieb. Obwohl ein derartiges Verhalten bereits in freier Wildbahn beobachtet worden war, schockierte es Sameer, wie weit die männlichen Schimpansen zu gehen bereit waren, um sich gegenüber ihren Artgenossen durchzusetzen.
Während in der Wildnis ein dominantes Männchen nur einer begrenzten Anzahl von Herausforderern die Stirn bieten musste, um seinen Status zu wahren, machte hier der Mangel an Hierarchie den Konkurrenzkampf brutal. Dreimal hatte Sameer auf internen Überwachungsmonitoren zusehen müssen, wie ein ehrgeiziger Schimpanse durch die massive Attacke eines anderen ums Leben kam. Und zwei weitere verloren ihr Leben in der Nähe der Futterstationen.
Einige Monate darauf begann ein besonders aggressiver Schimpansenmann, den Sameer Rambo getauft hatte, zu dominieren. Andere Tiere wagten sich nicht mehr an die Futterstation heran, ehe Rambo satt war, und bezeigten ihm jene Achtung, die unter Schimpansen gegenüber einem Höhergestellten erwartet wird. Nachdem dieser kritische Schritt einmal vollzogen war, fügten sich die anderen Männchen scheinbar freiwillig in die soziale Leiter ein, und eine Art geordneter Gesellschaft entstand.
Im Lauf von anderthalb Jahren entwickelten die Schimpansen viele der typischen Fusions- und Fissionsmerkmale von bisher beobachteten Schimpansenkolonien in freier Wildbahn. Kleine Schimpansengruppen zogen gemeinsam umher, während immer wieder Splittergruppen entstanden, die sich vom großen Pulk absonderten. Je ausgeprägter die Gesellschaftsordnung wurde, desto mehr Paare begannen sich zu bilden, und wildes sexuelles Treiben griff um sich. Brünstige Weibchen paarten sich täglich aggressiv mit fast jedem Männchen aus der
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