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Die Erben der Schöpfung

Die Erben der Schöpfung

Titel: Die Erben der Schöpfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Anderson
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ist auch schon bereit. Wie war dein Spaziergang?« Stiles’ britischer Akzent stand in scharfem Kontrast zu Jeremys lässigem Westküstensound.
    Jeremy warf die Arme in die Höhe, um dem Ganzen mehr Nachdruck zu geben. »Ist echt hip hier. Da hast du einen endgeilen Laden aufgetan.« Es amüsierte ihn, dass Stiles nie wusste, wie er reagieren sollte, wenn er in seinen Szene-Slang verfiel. Ja, es freute ihn geradezu diebisch, da Stiles sonst nie um eine Antwort verlegen war. Seit Jeremy sich am Londoner King’s College bei Stiles um eine Postdoc-Stelle beworben hatte, hatte er in Stiles die Giftschlange erkannt – zwar eine sehr angenehme, witzige Giftschlange, aber trotzdem eine mit gespaltener Zunge.
    Stiles’ Labor war aus verschiedenen Gründen attraktiv für Jeremy. Nachdem er bei Kamil Ugurbil in Minnesota seinen Doktor in Neurophysiologie gemacht hatte, wollte Jeremy unbedingt an einen Ort wechseln, wo nicht neun Monate im Jahr Winter herrschte. Aber was noch wichtiger war, Jeremy wollte uneingeschränkt an der Großhirnrinde forschen, und der einzige Forscher, der seines Wissens das gesamte Spektrum von intrazellularen Gehirnelektroden bis hin zu funktioneller Magnetresonanztomografie abdeckte, war Roger Stiles. Obwohl Stiles noch relativ jung war, hatte er bereits eine beeindruckende Menge an wissenschaftlichen Aufsätzen veröffentlicht, ehe er eine Professur am King’s College bekommen hatte.
    Jeremy kannte sich eigentlich nur in funktioneller Magnetresonanztomografie gut aus, hoffte aber, seine Kenntnisse erweitern zu können. Als Stiles das Angebot von Nakamura erhalten hatte, sich einen genetisch modifizierten Schimpansen in einem Labor in Brasilien anzusehen, nahm er die Gelegenheit sofort wahr. Ein paar Tage später hatte er es Jeremy gegenüber ganz beiläufig erwähnt. »Hey, Jeremy, ich fahre für ein, zwei Monate nach Brasilien, um am Amazonas mit ein paar Molekularfritzen zusammenzuarbeiten. Sie brauchen jemanden, der einige Experimente an einem genetisch modifizierten Schimpansen durchführt. Willst du mitkommen oder hierbleiben und das Initiativreferat fertigschreiben?«
    »Wie’s beliebt, Meister. Die Bananen hier nerven tierisch.« Eine Woche später saß Jeremy neben Stiles im Flugzeug, und schon fanden sie sich im Regenwald wieder, einer Umgebung, die exotischer war, als sich die beiden nach Jahren in sterilen Laborgebäuden hätten träumen lassen.
    Der Schimpanse hatte sich zunächst auf alle viere niedergelassen und lag nun reglos auf der Seite. »Na los, Rog. Intubieren wir den Knaben mal, ehe er noch auf einen Horrortrip kommt«, rief Jeremy.
    Stiles und Jeremy hoben den Affen rasch auf den Schiebetisch des Magnetresonanztomografen, legten ihm eine Infusion und ließen die Flüssigkeit eintropfen. Die Neurophysiologie besaß eine Intensität, die Jeremys Kollegen in den molekularen Neurowissenschaften nie begreifen würden. Am lebenden Objekt die elektrische Aktivität im Inneren eines Tiers belauschen zu können war, als empfinge man Strahlen vom Rand des Universums oder könnte Teilchen spalten und nachsehen, was sich in ihnen verbarg. Sie würden die große Frage des Lebens beantworten.
    Eine Manschette für den Blutdruck, Elektroden fürs EKG und ein Puls-Oximeter wurden an Arm, Brustkorb und Ohr des Schimpansen angebracht, während auf einem Patientenmonitor an der Wand die Daten aufleuchteten, die Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffgehalt maßen. Als Stiles die Spritze mit dem Muskelrelaxans in die Infusion gab, intubierte Jeremy das Tier mit einer Glasfibersonde und verband einen Plastikschlauch aus dem Narkoseapparat mit dem schlaffen Körper des Affen. Der Brustkorb des Tiers hob und senkte sich im Rhythmus mit dem Klicken des Beatmungsgeräts.
    Unterdessen legte Stiles eilig ein Dutzend Fiberglaselektroden an Arme, Beine, Hände und Rumpf des Affen an. Jede einzelne wurde mit einem langen Kabel verbunden, das in einen Vorraum führte, wo hinter dem Hauptrechner ein National Instruments Board eingerichtet war. Das Computerterminal zeigte den komplizierten Schaltplan des selbst entwickelten Lab-View-Programms, das das Experiment begleitete, bis Stiles ein paar Tasten drückte und das elegante Benutzer-Interface erschien. Das Ergebnis war beeindruckend. Über fünfzig Drähte und Kabel führten aus dem reglosen Körper des Affen zu einer geschützten Sammelbuchse neben dem Tisch und in verschiedene Steckplätze am Computer.
    In diesem Moment ging die Tür zum Hauptraum

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