Die Erben der Schöpfung
vorüber war, sah Jamie eine Reihe von Zahlen durch und lächelte versonnen über die Geschwindigkeit, die sie sich zunutze gemacht hatte. Da klingelte das Telefon.
»Hallo, Jamie.«
»Hi, Sameer, was gibt’s?«
»Ich hab’s. Es ist sagenhaft. Ich habe es von einem Freund aus Berkeley gefaxt bekommen, und es ist genau das, worüber wir gesprochen haben. Komm doch rüber in den Kindergarten und sieh zu.«
»Moment. Immer mit der Ruhe, Sameer. Wovon redest du überhaupt?«
»Ich habe Material aufgetrieben, mit dem wir den kleinen Schimpansen psychologisch testen können, und ich will heute Morgen damit anfangen. Kommst du rüber?«
»Klar. Ich bin gleich da.« Sie legte auf und startete ein paar Simulationen, die im Hintergrund auf ihrem Monitor liefen. Sie ließ im Büro alles, wie es war, und machte sich auf den kleinen Fußmarsch ums Gebäude herum zum Kindergarten.
Sie drückte den Code, den sie Sameer am Vortag hatte verwenden sehen, in das Kästchen an dem Maschendrahttor, das daraufhin aufschwang. Drinnen spielte der Schimpanse mit dem Halsband an Sameers Seite mit Bauklötzen. Zwei Türme standen bereits auf einer kleinen Plattform. Sie waren beide sechseckig und teilten sich eine Wand. Im Inneren der Türme wanden sich bunte Stützen spiralförmig von der Mitte nach außen wie Speichen an einem Rad.
Eine auf ein Stativ montierte Kamera filmte das Spiel des Schimpansen, während eine kleine Fernsehüberwachungsanlage den gleichen Bildausschnitt auf einem Monitor wiedergab.
Der Schimpanse legte eine letzte Reihe Bauklötze an, ehe er auf allen vieren zu zwei wenige Meter entfernt stehenden Gartenstühlen hüpfte, auf denen Jeremy Evans und Roger Stiles saßen und zusahen. Jeremy hielt eine Tüte Mikrowellenpopcorn in der Hand und futterte träge vor sich hin. Der Schimpanse zupfte Jeremy am Ärmel und zeigte auf die Türme.
»Gut gemacht«, lobte Jeremy, »aber wo sind die Fenster?« Der Schimpanse sah ihn verständnislos an, fasste unerschrocken in die Tüte, nahm sich eine Handvoll Popcorn und stopfte es sich in den Mund. Dann schnappte er sich mit der anderen Hand die Tüte, hopste zu den Türmen hinüber und verputzte seine Beute. »Hey!«, rief Jeremy, während Sameer verstohlen lachte.
Stiles sah amüsiert zu. »Anscheinend waren die Türme nur ein schlaues Manöver, um dich abzulenken, Jeremy. Du darfst dich nicht ständig von unserem kleinen Kenny übertölpeln lassen, sonst schiebt er dich in null Komma nichts in den Tomografen.«
Jamie ging zu den anderen und nickte Jeremy zu. »Das war’s dann wohl mit Frühstück, was?«
Jeremy zuckte die Achseln. »Dieser kleine Fiesling.«
»Ich wäre vorsichtig mit meinen Äußerungen, sonst werden sie noch publik, wenn Ken junior eines Tages seine Memoiren schreibt.« Stiles wandte sich an Jamie. »Wollen Sie die Show sehen?«
»Unbedingt.«
»Also, was haben wir denn heute für den kleinen Kenny geplant?«, wollte Stiles von Sameer wissen.
»Ich wollte schon lange anhand von etwas formaleren Kriterien überprüfen, wie er sich in einem Standardtest schlägt, doch die meisten Intelligenztests wie der von Binet oder Wechsler sind dermaßen verbal geprägt, dass sie ungeeignet sind. Nach unserem gestrigen Gespräch habe ich mich intensiver mit dem Thema beschäftigt und einen Freund angerufen, der in Berkeley klinische Psychologie lehrt.
Er hat mir einen Test vorgeschlagen, der die allgemeine Intelligenz untersucht, aber keine Sprachfähigkeit erfordert, und mir sogar ein Exemplar davon gefaxt. Das Ganze nennt sich ›Großer Test der nonverbalen Intelligenz‹. Ich weiß nicht, ob das Ganze funktioniert, aber ich habe mir den Test heute Morgen angesehen und glaube, dass es einen Versuch wert ist«, erklärte Sameer. »Ich habe Kopien für alle gemacht, damit Sie alles verfolgen können.« Er wies auf einen Stapel Blätter auf der Erde, den Jamie sogleich aufhob.
Jamie zog sich neben Stiles und Jeremy einen Stuhl heran und setzte sich, während Sameer den Schimpansen herbeiwinkte, der soeben die Tüte Popcorn leer gefuttert hatte. Stiles zog einen Stapel Blätter heraus, die Sameer ihm gegeben hatte, und Jamie und Jeremy sahen sich die Aufgaben an, während Sameer den Affen dazu zu bewegen versuchte, sich zu konzentrieren.
Der erste Teil des Texts beinhaltete Bildanalogien. Sameer versuchte, dem Schimpansen eine Beispielaufgabe zu erklären. Die erste Aufgabe zeigte das Bild eines Vogels auf einem Baum neben einem Bild des gleichen Vogels im
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