Die Erben der Schöpfung
nur mit In-vitro-Fertilisation bekommen konnten, und das hat mir die Augen geöffnet. Es muss endlich mal jemand genau recherchieren, was erlaubt ist und was nicht.« Janet schrieb für die Gesellschaftsseiten, und Susan hatte schon immer gefunden, dass sie die ideale Besetzung dafür war.
»Was meinst du damit?«
»Es ist folgendermaßen.« Janet unterstrich ihre Rede mit einer dramatischen Handbewegung. »Als wir beim Arzt waren, klang erst einmal alles ganz einfach. Man pflanzt den Embryo ein, und das Baby kommt heraus – hofft man zumindest. Doch als ich im Krankenhaus war, habe ich zwei andere Mütter getroffen, die auch IVF haben machen lassen, und du wirst nicht glauben, was sie mir erzählt haben. Sie meinten, ihr Arzt hätte ihnen versichert, dass es ganz in Ordnung sei, das Geschlecht des Kindes auszuwählen. Ich dachte immer, das sei illegal oder so.« Susan nahm an, dass Janet auch mit sämtlichen Müttern in der Klinik gesprochen hatte, die ihr Kind nicht per IVF bekommen hatten.
»Welcher Arzt?« Susans Reporterinstinkt setzte ein.
»Keine Ahnung. Schließlich laufe ich nicht im Krankenhaus herum und stelle indiskrete Fragen. Auf jeden Fall habe ich mich erkundigt, ob sie dann tatsächlich eine Wahl getroffen hätten, und sie haben beide verneint. ›Aber nein. Nie im Leben würden wir so etwas tun. Bla, bla, bla.‹ Aber hältst du das für glaubwürdig? Dass man das jetzt macht? Dann müsste ich eigentlich schon öfter davon gehört haben.«
»Vielleicht wollen die betreffenden Ärzte kein Aufsehen erregen.«
»Also, ich finde auf jeden Fall, dass du der Sache nachgehen solltest. Die Leute müssen doch davon erfahren, oder?«
»Danke, Janet. Vielleicht schlage ich es Cindy mal vor.«
»Das habe ich schon getan, und sie meinte, sie will es sich überlegen.« Janet lächelte zuckersüß. »Nur damit du Bescheid weißt.«
Auf dem Rückweg zu ihrem Schreibtisch packte ein Bürobote Susan am Arm. »Sie sollen zu Ms. O’Reilly ins Büro kommen. Keine Ahnung, worum es geht.« Ohne ein weiteres Wort eilte er davon.
Susan kehrte um und ging zum Büro ihrer Chefredakteurin. Cynthia O’Reilly war eine eigensinnige Person, die schon etliche Leute als Drecksack bezeichnet hätten, wenn sie ein Mann gewesen wäre. Trotzdem kam Susan gut mit ihr aus und hatte eine produktive Arbeitsbeziehung zu ihr aufgebaut. Sie zog die Glastür zu Cynthias Büro auf.
»Oh, hallo, Susan. Ich habe Sie gerade gesucht.«
»Ich hab’s gehört.«
»Janet hat mich auf eine Idee für eine Geschichte gebracht.«
»Darüber, dass man das Geschlecht eines Kindes auswählen kann?«
»Woher wissen Sie das?«
»Seit wann konnte Janet je eine Idee für sich behalten?«
»Auch wieder wahr. Na, jedenfalls finde ich, dass das Thema es wert ist, behandelt zu werden. Das Problem ist nur, dass ich in letzter Zeit so viele Beschwerden wegen negativer Artikel bekommen habe. Jeden Tag jammern die Leute in der Hälfte der Briefe, die bei uns eingehen, dass die Nachrichten so düster und trostlos seien. Aber ich habe eine Idee.«
»Mir schwant Fürchterliches.«
»Es ist ganz einfach. Stellen wir dem Thema doch eine sonnige, leichte Glücksgeschichte gegenüber. Etwas über Mamas und Babys, das allen ein Lächeln aufs Gesicht zaubert.«
»Und was ist das für eine Geschichte, Cindy?« Susan seufzte.
»In St. Louis gibt es eine Familie, die gerade eine Mehrlingsgeburt hinter sich hat. Fünflinge, glaube ich. Versuchen Sie mal, daraus etwas zu machen, dann können wir als Nächstes diese IVF-Sache in Angriff nehmen.«
»Kann ich auch Nein sagen?«
»Eigentlich nicht.«
Nakamura saß stocksteif hinter seinem Schreibtisch. Nach der üblichen Begrüßung hatte er Tyler Drake einen bequemen Stuhl angeboten, den er extra zu diesem Zweck hatte bringen lassen, und nun wartete er darauf, dass Drake zu sprechen begann.
»Schön, Sie wiederzusehen, Kenji.« Drake war professionell, höflich und wie aus dem Ei gepellt.
»Es ist mir stets ein Vergnügen«, log Nakamura. Ihre Gespräche waren etwas mühsamer geworden, seit Drake im vergangenen Jahr in den Vorstand von Soliton Industries aufgestiegen war.
»Ich freue mich schon auf die Führung und auf die Gespräche mit den anderen Wissenschaftlern, doch zuerst möchte ich mich mit Ihnen ein bisschen über die geschäftliche Seite unterhalten.«
»Nur zu.«
»Ich komme gerade von David.« Drake hielt inne, als wollte er seine Äußerung in ihrer ganzen Tragweite wirken lassen. »Wir
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