Die Erben der Schöpfung
sagte Jeremy. »Das ist genau der richtige Test.
Die Frage ist nur, wie wir ihn in diesem Fall anwenden sollen. Der Schimpanse beherrscht noch nicht genug Sprache, um einen verbalen Test zu bewältigen. Vielleicht könnte man mit ein bisschen Sprach- oder Mathetraining Gleichungen oder Fragen in einen Computer programmieren und einen direkten Vergleichstest anstellen, aber das dauert seine Zeit.«
»Ich weiß auch noch nicht, wie es gehen könnte. Aber ich arbeite daran.«
»Auf jeden Fall«, meldete Stiles sich zu Wort, »hoffe ich, dass uns der alte Ken morgen ein paar Aufschlüsse darüber geben kann, was unser Ken junior hier für ein Geselle ist. Ich kann jedenfalls nicht mehr schlafen, bis ich eine plausible Erklärung für das alles bekommen habe.«
»Roger, ist es wirklich ethisch vertretbar, was Sie mit diesem Schimpansen vorhaben?«, fragte Sameer. »Aus allem, was wir gesehen haben, müssen wir schließen, dass er ein fühlendes Wesen ist. Hat er denn keine Rechte? Vielleicht keine Menschenrechte, aber doch die Rechte eines intelligenten Lebewesens?«
»Ich lasse mir garantiert nicht die großartigste Gelegenheit entgehen, die ein Wissenschaftler je erhalten hat, um zu ergründen, wie das Gehirn wirklich funktioniert. Für mich ist er ein genetisch veränderter Affe, und Affen sind Freiwild für Experimente. Ich mache das hier für die Menschheit, und ich werde die Tierschützer keinesfalls Wind davon kriegen lassen, ehe ich meine Antworten habe. Hinterher können sie debattieren, so viel sie wollen. Schließlich sind auch ganz normale Affen in gewissem Maße fühlende Wesen, und das hat bisher auch noch niemanden aufgehalten.«
»Rog, das klingt aber ein bisschen hart. Egal wie wichtig die Sache ist, wir dürfen nichts wirklich Gefährliches mit dem Affen anstellen. Und er hat Respekt verdient«, wandte Jeremy ein.
»Na schön. Du kannst ja dann in Stockholm verkünden, wie respektvoll wir vorgegangen sind«, gab Stiles mit ironischem Grinsen zurück, ehe er aufstand und auf das Tor zuging.
Der Schimpanse regte sich nicht, sondern starrte abwesend in ein Bilderbuch über einen neugierigen kleinen Affen mit einem Feuerwehrhelm. Als Jamie sich zum Gehen wandte, winkte sie dem Affen zu. Diesmal ließ der Schimpanse sie nicht aus den Augen, winkte jedoch nicht zurück.
11
Stille senkte sich über den kleinen Besprechungsraum, als Kenji Nakamura hereinkam. Jamie hatte mit Stiles und Jeremy über das Experiment gesprochen, das sie planten. Sameer saß neben ihr. Auf der anderen Seite des Tischs befanden sich zwei Wissenschaftler, die Jamie noch nie gesehen hatte.
Es handelte sich um einen Mann und eine Frau, die beide kaum mehr als eine Begrüßungsfloskel geäußert hatten, ehe Nakamura den Raum betrat. In der Tischmitte standen eine Schale mit frischem Obst, ein kleiner Stapel Teller und ein Becher mit Zahnstochern. Neben der Obstschale war ein Videoprojektor aufgebaut, dessen leises Brummen momentan das lauteste Geräusch im Raum war.
Nakamura setzte sich ohne großes Aufhebens neben den Projektor und steckte das Videokabel in den Port seines Laptops. Nachdem er ihn aufgeklappt und eingeschaltet hatte, erschien an der Wand eine schwarze Fläche. Nakamura stand auf, machte das Licht aus und setzte sich wieder. Dann räusperte er sich. »Willkommen, Kollegen«, begann er. »Wie die meisten von Ihnen wissen, haben wir in den letzten Jahren unsere Forschung hier bei BrainStem Therapeutics enorm vorangebracht. Wir haben erfolgreich Dopamin produzierende Nervenzellen aus neuralen Stammzellen gezüchtet und stehen kurz vor dem Abschluss der Sicherheitstests dafür, diese Zellen in ein Mäusemodell für die Parkinson’sche Krankheit einzupflanzen. Wir haben günstige vorläufige Daten für die Verwendung von Nervenwachstumsfaktoren zur Stimulierung des Nachwachsens von Rückenmark in vitro gefunden. Doch die bis jetzt vielleicht vielversprechendste Entwicklung war etwas völlig Unerwartetes. Erst kürzlich haben wir entdeckt, dass einige frühere Forschungsexperimente über die Entwicklung der Gehirnrinde von vor fünf Jahren keine Fehlschläge, sondern sogar enorm erfolgreich waren.«
Nakamura wandte sich den beiden zu, die die anderen noch nicht kannten. »Ich möchte Ihnen meine Kollegen Dr. Patrick Michaels und Dr. Michelle Simons vorstellen. Sie haben von Anfang an mit mir an der Erschaffung dieses Schimpansen gearbeitet. Beide sind hervorragende Molekularbiologen und ein Gewinn für unser Labor.
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