Die Erben der Schöpfung
offiziell verboten, abgetriebene Feten für die Forschung zu verwenden. Zweitens waren manche der Schachteln, die er gesehen hat, auf das letzte Schwangerschaftsdrittel datiert, also über den Punkt hinaus, ab dem Kinder theoretisch außerhalb der Gebärmutter überleben können, und über den Punkt hinaus, an dem eine Abtreibung noch legal gewesen wäre.«
»Und woher nimmt er die Feten?«
»Er züchtet sie. Dafür braucht er auch die Immunsuppressiva. Er züchtet menschliche Feten in Gebärmüttern von Schimpansinnen, um die Informationen über Gehirnentwicklung zu bekommen, die er braucht. Fehlendes Wissen darüber, welche Proteine im Lauf der Gehirnentwicklung wann eingeschaltet werden, ist die gravierendste Hürde, die man überwinden muss, wenn man wissen will, wie das Gehirn aufgebaut ist. Offenbar hat er einen schnelleren Weg gefunden.«
»Aber davon kann ich nichts veröffentlichen. Die Informationen wurden illegal beschafft. Und es gibt keinen schlüssigen Beweis dafür, dass Sie recht haben. Können Sie sich überhaupt vorstellen, wie viel Schadenersatz wir leisten müssten, wenn wir uns irren?«
»Wenn es Ihnen zu heikel ist, kann ich auch jemand anders fragen.« Nathans Bemerkung saß.
»Kann ich mit Ihrem Spion sprechen?«
»Natürlich. Er hat sich sogar bereit erklärt, an einer Forschungsexkursion teilzunehmen, falls Sie selbst hinfahren und sich vergewissern wollen.«
Susan erstarrte. Die Vorstellung, nach Brasilien zu fahren und eine der wichtigsten Geschichten der jüngsten Zeit zu recherchieren, erfüllte sie mit Vorfreude und Angst zugleich.
Sie musterte ihn ungerührt. »Ich muss wissen, warum Sie das an die Öffentlichkeit bringen wollen.«
Nathan mimte das Unschuldslamm. »Die Sache geht weit über das Geschäftliche hinaus. Ich könnte mich selbst nicht mehr im Spiegel anschauen, wenn ich diesem Treiben nicht Einhalt gebieten würde. Hören Sie, das Thema schreit förmlich nach dem Pulitzer-Preis, und das wissen Sie auch. Und Sie müssen mir sagen, ob Sie der Sache nachgehen wollen.« Er hielt ihr den dicken Umschlag hin wie einen Köder.
»Wo kann ich Sie anrufen?«
»Tun Sie’s nicht – es sei denn, Sie scheitern.« Nathan reichte ihr die Unterlagen. »Er heißt Carlos, und die Telefonnummer seines Hotels steht hier drin.« Er drehte sich um und ging den Korridor entlang. Susan blieb wie angewurzelt stehen, bis er längst außer Sichtweite war.
Nathan Hall zückte sein Mobiltelefon und wählte eine Nummer. »Hi, hier ist Nate. Bitte verkaufen Sie im Lauf der nächsten Woche alles, was wir von BrainStem Therapeutics und Soliton Industries besitzen. Verkaufen Sie leer, soweit unsere Gewinnspanne beides gefahrlos deckt. Aber es muss mindestens einen Monat lang unter Verschluss bleiben. Nein, es muss sogar völlig unter der Hand ablaufen. Wenn nötig, machen Sie Verlust.«
16
Jamie beugte sich über einen Laptop und steckte ein Kabel ein. Es führte zu einem kleinen Gerät mit zwei großen Knöpfen an einer Metallkiste, die mit Isolierband notdürftig zusammengehalten wurde. Über den Knöpfen waren zwei Leuchtfelder und ein Lautsprecher. »So müsste es gehen, Sameer. Schau’s dir mal an.«
Sameer hatte auf der anderen Seite des Kindergartens mit dem Schimpansen gespielt. Kurz zuvor war Jamie aus reiner Neugier hinüberspaziert und hatte zugesehen. Das Spiel bestand aus einem Dutzend verschiedener Pappteile, die ein Quadrat ergaben, wenn man sie korrekt aneinanderlegte. Der Schimpanse hatte eifrig verschiedene Anordnungen der einzelnen Teile ausprobiert. Neben Sameer stand eine Schachtel mit einem verdrehten Zauberwürfel, mehreren aneinanderhängenden Ringen und etlichen Puzzles.
Auf Jamies Aufforderung hin kam Sameer nun zu dem kleinen Tisch, auf dem Jamies Laptop stand. Er musterte die Metallkiste und lachte. »Wo hast du denn diesen Müllhaufen her?«
Jamie grinste ihn an. »Selbst gemacht, aus einer alten Maus und ein paar Ersatzteilen. Es war ein gutes Gefühl, mal wieder einen Lötkolben in der Hand zu halten.«
»Und was kann das Ding?«
»Es spielt das Gefangenendilemma. Ich bin die halbe Nacht auf gewesen, um die Software für die Simulationen zu schreiben.«
»Das Gefangenendilemma?«
»Es ist ein Spiel, Sameer. Wenn wir beweisen wollen, dass dieser Schimpanse wie ein Mensch denkt, ist es am besten, ihm beim Spielen zuzusehen. Menschen zeigen ihr entlarvendstes Verhalten am Spieltisch. Und das Gefangenendilemma ist eines der Schlüsselspiele, anhand derer
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