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Die Erben der Schöpfung

Die Erben der Schöpfung

Titel: Die Erben der Schöpfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Anderson
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Arterienkatheter rausziehen, sonst verblutet er binnen weniger Minuten. Und wenn ich ihm den Katheter entferne, möchte ich nicht von einem kräftigen Arm geboxt werden, während ich den Druck halte, falls er womöglich zu schnell aufwacht. Schimpansen wirken vielleicht schmächtig, aber sie haben locker so viel Kraft im Oberkörper wie ein Schwergewichtschampion im Ringen.«
    Stiles grinste Jeremy durchtrieben an. »Du bist doch bloß neidisch. Immerhin musst du zugeben, dass er eine ziemlich imposante Figur macht – jedenfalls wenn man auf kleine, haarige Typen steht, denen beim Gehen die Hände über den Boden schleifen.«
    »Und was genau machen Sie hier?«, wollte Sameer wissen.
    »Ein EEG. Es ist schwieriger, wenn der Patient nur schlecht Anweisungen befolgen kann, einem nicht gerade vertraut und einen mit einem einzigen Hieb zu Boden schlagen könnte«, antwortete Stiles. »Ein EEG ist das Erste, was man macht, wenn jemand plötzlich Krampfanfälle bekommt. Wir hatten ihn ja vor einer Woche erst im Tomografen, und auf den Aufnahmen war keine Vaskulitis, keine Infektion und auch sonst nichts Dubioses zu sehen. Wahrscheinlich haben wir es mit einem fokalen Anfall zu tun.«
    Jamie wies auf den EEG-Monitor. »Und was sagen Ihnen diese Spuren?«
    Jeremy nahm ein Blatt und zeichnete einen Kreis mit zwei Ohren. Dann zog er an verschiedenen Stellen auf dem Kreis Linien mit X-en. »Die X-e bezeichnen die Stellen, wo wir am Schädel des Schimpansen Elektroden befestigt haben. Ist das klar?«
    »Ich glaube schon«, sagte Jamie.
    »Das Wichtigste«, fuhr Jeremy fort, »ist die Schwingungsfrequenz. Bei einem normalen wachen Patienten liegen die meisten Hirnaktivitäten in der so genannten Alphafrequenz, mit etwa acht bis zwölf Zyklen pro Sekunde. Diese Schwingungen sind meist im hinteren Teil des Gehirns am ausgeprägtesten und hier sowie hier an den Seiten. Dafür stehen diese vier Linien auf dem Monitor.«
    Er zeigte auf die grünen Linien auf dem Bildschirm, ehe er fortfuhr. »Im vorderen Teil des Gehirns sieht man eher Betawellen, die schneller sind als zwölf Hertz. Das sind die unteren Linien auf dem Monitor. Im Moment ist nicht besonders viel Alpha- oder Beta-Aktivität zu sehen. Das liegt daran, dass er schläft, sodass die Hirnstromwellen wesentlich langsamer sind, vor allem in der Theta- und der Deltafrequenz, also etwa zwischen einem und sieben Hertz.«
    »Ich sehe viele Leuchtflecken im Signal, die den Eindruck machen, als würde etwas ganz Großes geschehen«, meinte Jamie.
    »Du meinst den Leuchtfleck hier?« Jeremy wies auf eine Stelle. »Der kommt von einem Lidschlag. Davon gibt es viele. Das große Signal hier rechts nennt man eine Schlafspindel. Wenn jemand schläft, treten in periodischen Abständen Aktivitätswellen auf, die durchs ganze Gehirn wandern. Normalerweise suchen wir ja nach Ordnung und Synchronizität. Doch im Gehirn ist Chaos gut und Rhythmus schlecht. Wenn alles sehr geordnet aussieht, deutet das meistens auf mögliche Krampfanfälle hin. Es gibt gewisse charakteristische Muster, aus denen wir ablesen können, dass ein Gehirn zu Krampfanfällen neigt.«
    Auf einmal brach auf dem Bildschirm hektische Aktivität los, und der Schimpanse stieß einen Schrei aus.
    Jeremy trat nachdenklich einen Schritt zurück. »Anscheinend wacht er langsam auf. Das war jetzt ein reines Bewegungsartefakt, weil er die Muskeln bewegt hat. Schau dir mal die obersten paar Linien an: Siehst du, wie der schnelle Alpharhythmus wieder zurückkehrt?«
    Während der Affe langsam zu Bewusstsein kam, warf er den Wissenschaftlern immer wieder verstohlene Blicke zu, ehe er bei Sameer hängen blieb. Sein auf Sameer gerichteter flehender Gesichtsausdruck wurde von einem lang gezogenen, kläglichen Stöhnen begleitet. Sameer erwiderte den Blick des Affen distanziert und bewies die gleiche wissenschaftliche Abgeklärtheit wie seine Kollegen. Der Schimpanse verlor nun die Beherrschung und begann mit dem ganzen Körper an seinen Beinfesseln zu zerren und mit weit aufgerissenen Augen gegen die Gurte zu kämpfen. Schließlich gab er auf und blieb reglos liegen, während sein Blick vom einen zum anderen wanderte.
    Stiles machte ein paar Schritte auf ihn zu und steckte ein kleines Gerät mit einem langen Kabel in eine Steckdose. »Ich finde, es ist an der Zeit, unsere Spielsachen herauszuholen«, sagte er, als er direkt vor dem Schimpansen stand. »Wir haben ein paar Geräte, mit denen wir Anfälle auslösen können. Damit können

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