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Die Erben der Schöpfung

Die Erben der Schöpfung

Titel: Die Erben der Schöpfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Anderson
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wir hoffentlich feststellen, in welchem Teil des Gehirns sie ihren Ursprung haben. Einer der besten Auslöser ist ein Strobolight. Behaltet mal die dritte und die vierte Linie von oben im Auge, wenn ich das hier einschalte. Von diesem Teil des Gehirns wissen wir bereits anhand unserer fMRI-Ergebnisse, dass er bei diesem Schimpansen für den Gesichtssinn verantwortlich ist. Es müssten Aktivitätswellen von zwanzig Hertz auftreten, also dieselbe Frequenz wie dieses Strobolight.«
    Die beiden Linien, die er erwähnt hatte, beschrieben fast sofort eine schnelle Sägezahnwelle. Diese verschwand nach ein paar Sekunden und wurde von einer langsameren Welle mit hoher Amplitude abgelöst.
    »Hey, wir sind doch echte Könner!«, rief Jeremy und hielt die Hand in die Höhe, um einen rituellen Gruß mit Stiles auszutauschen.
    »Was siehst du?«, fragte Stiles.
    »Das Strobolight hat den visuellen Teil des Gehirns eine Zeit lang angeregt, wie wir es erwartet hatten, doch dann ist dieses Signal hier aufgetaucht. Ein solches Muster aus Spikes und Wellen ist charakteristisch für Epileptiker. Wenn wir es lang genug dauern lassen, könnte es sich durch die gesamte Hirnrinde fortsetzen und einen Anfall auslösen.«
    Der Schimpanse begann Arme und Beine nun häufiger zu bewegen und zerrte immer wieder mit aller Kraft an seinen Fesseln. Als er merkte, dass seine Bemühungen nichts fruchteten, gab er auf und blieb ruhig liegen.
    »Geh mal auf hundert Prozent Nitrogen«, sagte Stiles.
    Jeremy drehte an der Einstellscheibe des Messgeräts an der Wand und ließ die Hand an der Scheibe.
    Kurz darauf begann der Schimpanse, schwerer und schneller zu atmen. Nach ein paar Sekunden erklang ein Piepton aus dem Monitor, und die blaue Kurve für die Sauerstoffsättigung wurde unregelmäßig. Die Zahl auf der Seite fiel von 99 auf 95 und weiter auf 87, wo sie rot zu blinken begann. Die EEG-Aufzeichnung pulsierte mit rhythmischer Aktivität, und der linke Arm des Affen zitterte.
    »Das reicht«, erklärte Stiles.
    Rasch drehte Jeremy die Scheibe zurück. Binnen Sekunden stieg die rot blinkende Zahl an, und der Schimpanse atmete wieder leichter. Doch bald kehrte das EEG in seinen chaotischen Zustand zurück.
    »Sehr interessant. Wenn man hyperventiliert oder das Gehirn zu wenig Sauerstoff bekommt, löst das oft einen Anfall aus. Die kleine Episode mit unserem Schimpansen, die wir beobachtet haben, hat uns zwei Dinge gezeigt. Erstens ist es bei diesem Schimpansen sehr leicht, Anfälle zu provozieren. Zweitens hat diese Episode ein ganz anderes Signal ausgelöst als die Episode mit dem Strobolight. Sie stammt auch aus einer anderen Hirnregion.«
    »Was heißt das?«, erkundigte sich Sameer.
    »Es heißt, dass es in diesem Gehirn wahrscheinlich zahlreiche Anomalien gibt, die Krampfanfälle auslösen. Vermutlich liegt es eher daran, wie die Hirnrinde überhaupt gepolt ist, als an einem einzigen kleinen Problempunkt«, antwortete Jeremy rasch.
    »Das heißt, dass es höchste Zeit für eine Biopsie ist«, erklärte Stiles.
    »Eine Gehirnbiopsie? Ist das Ihr Ernst?«, fragte Jamie.
    »Natürlich«, sagte Stiles. »Vermutlich weist die Schaltung in seinem Gehirn gewisse sehr interessante Besonderheiten auf, die diesen Schimpansen für verschiedene Arten von Anfällen empfänglich machen. Wenn wir ein kleines Loch in den Schädel bohren, ein paar Millimeter der Hirnrinde herausschneiden und sie unter dem Mikroskop betrachten, bekommen wir sicher Faszinierendes zu sehen. Ich habe mir bereits eine Vorabgenehmigung von Nakamura besorgt, da ich schon mit so etwas gerechnet habe. Es ist ja nur ein kleiner Fetzen Hirn. Der Schimpanse wird den Verlust gar nicht bemerken.«

    Sowie die Wissenschaftler in ihre Diskussion vertieft waren, sah der Schimpanse erst zu dem Ständer mit den Instrumenten und Spritzen und dann aufmerksam auf seine Armfesseln. Langsam reckte er die Finger zu dem Lederriemen mit der Schließe an seinem Handgelenk. Mit einem Finger nach dem anderen schob er das freie Gurtende durch die Metallschließe. Ohne hinzusehen bewegte er das Handgelenk, bis der Dorn der Schließe aus dem Gurt glitt.
    Der Schimpanse dehnte sein Handgelenk in alle Richtungen, bis der Gurt weit genug aufgegangen war, dass er seinen Arm herausziehen konnte. Dann fasste er mit dem freien Arm auf die andere Seite und löste dort die Schließe. Gerade wollte er eine Hand vorsichtig zum Hals heben, um den dort angebrachten Gurt zu öffnen, da musste er sie schleunigst wieder

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