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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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trieb McCabe seine Leute an. »Wollt ihr unbedingt Eisen zwischen die Rippen bekommen?«
    So schnell sie nur konnten, liefen sie die Stufen hinauf, die in den Fels der Gassen gehauen waren. Da McCabe seine Büchsebereits abgefeuert hatte und in der Eile nicht nachladen konnte, sprang der Chinese ihm bei und schoss. Damit hielt er die Verfolger auf Distanz – aber nicht für lange. Als entfache jeder neue Blutzoll, den sie zu entrichten hatten, die Mordlust der Piraten nur noch mehr, beschleunigten sie ihre Schritte und stürmten die Gasse hinauf, stumpfen Glanz in den ausdruckslosen Augen. Immer näher kamen sie, und es war abzusehen, dass sie die Flüchtlinge einholen würden.
    »Lauft!«, rief McCabe seinen Kameraden noch einmal zu. »Ich werde sie aufhalten.«
    »Nein!«, widersprach Pater O’Rorke entschieden. »Wir werden alle gehen – oder keiner von uns.«
    »Arh, ihr geht weiter«, beharrte McCabe, »das ist ein verdammter Befehl. Bete, O’Rorke, das ist alles, was du noch für mich tun kannst …«
    Und während die anderen weitereilten und den Pater mit sich rissen, fiel der Schotte zurück. Die leer geschossene Büchse warf er weg, dafür zog er sein Breitschwert, dessen Griff er beidhändig umklammerte. So erwartete er die Verfolger, die ihn kurz darauf erreichten.
    Entsetzt blickte O’Rorke über die Schulter. Er sah McCabe noch ausholen und den ersten Verfolger niederstrecken. Dann kam die nächste Wegbiegung, und alles, was sie von dem erbitterten Kampf noch mitbekamen, waren heisere Schlachtrufe und das Klirren von Stahl. Plötzlich erhob sich McCabes heisere Stimme zu einem alles übertönenden Schrei, der jäh erstarb.
    »Nein!«, rief der Pater entsetzt – und selbst durch den Schleier der hereinbrechenden Ohnmacht begriff Nick Flanagan, was geschehen war. Unendliche Trauer überkam ihn und der Wunsch nach blutiger Rache. Dann jedoch forderten der Schmerz und dieStrapaze ihren Tribut, und Nick verlor das Bewusstsein in dem Wissen, dass er verloren hatte.
    Sein Schiff lag auf dem Grund des Hafenbeckens.
    Seine Mannschaft war zerschlagen.
    Sein Plan war gescheitert.

9.
    I ronischerweise war es der Schmerz, der Nick Flanagan wieder zu Bewusstsein brachte.
    Ein heißer Stich in seiner Schulter rief ihn zurück zu den Lebenden, und er schlug die Augen auf. Gleichzeitig drang die Erinnerung an alles, was sich zugetragen hatte, wie eine Springflut in sein Bewusstsein, und mit ihr die Reue und der ohnmächtige Zorn.
    Zunächst sah er nur verschwommene Flecken vor den Augen. Erst ganz allmählich schälten sich Pater O’Rorkes besorgte Züge aus der von flackerndem Feuer durchbrochenen Dunkelheit.
    »Es war unklug von dir, ausgerechnet jetzt aus der Ohnmacht zu erwachen, mein Junge«, stellte der Ordensmann fest. Seltene Bitterkeit lag in seiner Stimme.
    Nick hob den Kopf, was ihn unsägliche Anstrengung kostete, und blickte auf seine linke Schulter. Rings um die fingergroße Öffnung, die darin klaffte, war dunkles, verkrustetes Blut zu sehen.
    »Es ist mir gelungen, die Blutung aufzuhalten, aber die Kugel steckt noch in der Wunde und muss entfernt werden«, erklärte O’Rorke, während er im Lagerfeuer stocherte. Aus dem Augenwinkel erhaschte Nick einen Blick auf das Messer in der Glut.
    »Habe ich erwähnt, dass ich mir im Lauf all jener Jahre auf der Seadragon einige Kenntnisse in der hohen Kunst der Medizin angeeignet habe?«, fragte der Mönch.
    »Das müsst Ihr wohl vergessen haben«, presste Nick zwischen schmerzvoll verkniffenen Lippen hervor.
    »Unter den Leuten, die Lord Clifford einst für die Seadragon anheuerte, befand sich auch ein Arzt. Kein Meister seines Fachs, aber ein solider Bursche, der sein Handwerk auf einem britischen Kriegsschiff gelernt hatte und in Ungnade gefallen war, nachdem er einem Admiral das falsche Bein abgenommen hatte. Er blieb nicht lange bei uns, aber immerhin lange genug, dass ich einiges von ihm lernen und mir manchen Kunstgriff von ihm abschauen konnte.«
    »Welchen Kunstgriff?«, erkundigte sich Nick stöhnend. »Wie man jemandem das falsche Bein abnimmt?«
    »Dein Bein ist nicht in Gefahr, mein Junge, aber dein Arm. Wenn ich die Kugel nicht entferne und die Wunde ausbrenne, so wird sie zu eitern anfangen.«
    »Und dann?«
    »Mit etwas Glück wirst du in ein paar Wochen am Wundfieber sterben. Wenn du Pech hast, legt sich das Fieber, und die Wunde fängt zu faulen an. Und was das bedeutet, brauche ich dir nicht zu sagen.«
    »Nein, Pater.« Nick setzte ein

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