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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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erblicken.
    »Mutter …«
    Im Schlaf murmelte er vor sich hin, während er sich unruhig auf dem Lager wälzte. Die Wirklichkeit der kühlfeuchten Dschungelnacht drang nicht an sein Bewusstsein – er wähnte sich auf den Planken eines Schiffes, das lichterloh in Flammen stand. Und während er noch zu begreifen versuchte, was um ihn herum geschah, fiel sein Blick auf eine wahre Schreckgestalt.
    Schwarz gekleidet war sie und von einem Umhang umweht, der sich wie ein Paar riesiger Flügel im Flammenwind bauschte. Ein großer Hut mit schwarzem Federbusch saß auf ihrem Haupt, hasserfüllt starrte sie auf ihn nieder. Anfangs glaubte Nick, es mit jenem Piraten zu tun zu haben, der Elena geraubt hatte, aber dann sah er, dass der Schwarze nur ein Auge besaß. Er hörte den Einäugigen lachen – ein Lachen wie aus tiefsten Höllenschlünden. Dann schwang sich der Schreckliche an Bord, und während die Seeleute und Soldaten furchtsam vor ihm zurückwichen, stellte sich ihm ein einzelner Mann tapfer in den Weg.
    »Vater …«
    Nick konnte das Gesicht des fremden Kämpfers nicht sehen, der sich todesmutig auf seinen Furcht erregenden Gegner stürzte,worauf Stahl Funken schlagend auf Stahl traf. Wie das Duell der beiden ausging, vermochte Nick dennoch nicht zu sagen, denn jemand packte ihn plötzlich und riss ihn fort – und als Nick sich umwandte, erkannte er Unquatl und McCabe, die ihn durch die Gassen Cayennes schleppten.
    »Lasst mich zurück! Mein Vater … ich muss ihm helfen!«, schrie Nick aus Leibeskräften, aber sie wollten nicht auf ihn hören.
    In einer vom Feuerschein beleuchteten Nische sah Nick eine zusammengesunkene Gestalt sitzen. Zu seinem Entsetzen erkannte er, dass es kein anderer war als der alte Angus Flanagan. Aber sein Ziehvater war kaum wiederzuerkennen. Güte und Milde waren aus seinen Zügen gewichen, das Gesicht eine versteinerte Anklage.
    »Narr!«, rief er mit heiserer Stimme, die das Brausen der Flammen übertönte. »Ich hatte dir aufgetragen, deinem Stern zu folgen und nach deiner Herkunft zu forschen – und was hast du stattdessen getan? Du wolltest Rache und hast Verderben über alle gebracht!«
    »Nein, Vater! Das ist nicht wahr …«
    »Du weißt, dass es wahr ist.« Der alte Angus war aufgesprungen und rannte hinter ihm drein – ein bizarrer, abgemagerter Schatten vor grellen Flammen. »Du hast deine Kameraden in den Untergang geführt, und das nur um deiner selbst willen.«
    »Aber meine Gründe waren gerecht. Ich konnte nicht ahnen, dass …«
    »Gute Beweggründe können dein Vergehen nicht aufwiegen. Ich schäme mich, dich jemals Sohn genannt zu haben. Du bist meiner nicht würdig! Geh zu deinesgleichen und zu deiner spanischen Dirne!«
    »Nein, Vater! Nein!«, brüllte Nick – und zu seinerVerblüffung erkannte er, dass es nicht der alte Angus war, sondern Nobody Jim, der mit blutender Nase hinter ihm herlief, die Enteraxt schwingend. »Du hast uns alle auf dem Gewissen, Nick Flanagan! Nur an dich selbst hast du gedacht und an niemanden sonst! Du bist nicht besser als jene, gegen die du zu kämpfen vorgibst! In Wahrheit bist du genau wie sie!«
    »Nein«, widersprach Nick verzweifelt. »Ich habe nur getan, was ich für richtig hielt …«
    »Leugne es nicht, Nick Flanagan. Auch du bist von vornehmer Abstammung, hast du das noch nicht erkannt? Dein Blut hat eine andere Farbe als unseres. Du bist genau so wie Navarro, du denkst nur an dich selbst!«
    »Das ist nicht wahr!«
    »Du willst behaupten, es wäre nicht wahr?« McCabe war neben ihm aufgetaucht, sein Blick nicht weniger anklagend als Jims. »Arh, Matey, mein Leben habe ich geopfert, um deins zu retten. Und nun verrate mir, ob du es wert gewesen bist. Sage mir, Nick Flanagan, warst du das Opfer wert?«
    Der Schotte verlangsamte seine Schritte und fiel zurück, und noch während sich seine Stimme in der brennenden Gasse verlor, sah Nick, wie McCabes Körper zu Staub zerfiel. Das Feuer versengte ihm Haare und Gesicht, nagte das Fleisch von seinen Knochen, bis nichts als ein Skelett übrig blieb, das Nick aus leeren Augenhöhlen nachstarrte. Und zu seinem Entsetzen verfiel der Schädel in spöttisches Gelächter.
    »Neeein!«, schrie Nick gegen das gespenstische Lachen an, immer lauter, bis ihm die Stimme versagte und er den Verstand zu verlieren drohte …
    Jäh schlug er die Augen auf.
    Nick war überrascht.
    Nicht loderndes Feuer umgab ihn, sondern helllichter Tag.Sonnenschein fiel durch ein grünes Blätterdach und blendete

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