Die Erben der Schwarzen Flagge
Vorwand, mich als Verwalter von Maracaibo abzusetzen …«
»Seid unbesorgt, Navarro«, versicherte Bricassart mit dunkler Stimme. »Schon in wenigen Tagen werdet Ihr wieder zurück aufEurer Festung sein, und die Dinge werden ihren gewohnten Lauf nehmen.«
»Ihr scheint sehr überzeugt zu sein, dass Euer Sohn erfolgreich ist.«
»Ich habe auch allen Grund dazu. Unser Informant hat Damian und die Seinen direkt zu Eurer Tochter geführt. Es müsste wahrhaft eigenartig zugehen, wenn es ihm nicht gelingen sollte, sie zu befreien.«
»Elena ist nicht alles, was ich will«, knurrte Navarro. »Ich will auch Flanagans Kopf.«
»Damian wird Euch beides bringen. Und bis dahin seid mein Gast auf dieser schönen Insel und genießt die Freuden, die das Leben Euch bereitet.«
Von den Kissen aus, auf denen seine feiste Gestalt thronte, beugte sich Bricassart vor, was ihn einige Mühe kostete. Seine schwammige, beringte Rechte langte nach einem der Fleischstücke, welche die Diener aus den Rippen des Schweins geschnitten hatten. Geräuschvoll tat sich der Piratenführer daran gütlich. Navarro sah das Fett an seinen Händen und dem Kinn herabrinnen und schluckte, um die Übelkeit zu bekämpfen, die ihn plötzlich befiel.
»Greift zu«, forderte Bricassart schmatzend. »Hier bekommt Ihr nur vom Feinsten. Das Beste, was die Vorratskammern spanischer Galeonen zu bieten haben.«
Der Commodore brach in derbes Gelächter aus, wobei er den halben Inhalt seines Mundes auf den Tisch spuckte. Seine Leute, die mit an der Tafel saßen und sich zu Ehren des hohen Gastes in bunte Adelsgewänder gehüllt hatten – deren frühere Besitzer sie über die Klinge hatten springen lassen –, fielen in das Gelächter mit ein. Allerdings hörte es sich weniger wie das Lachen von Menschen an, sondern wie das Blöken störrischer Esel. Navarroblickte auf eine Menagerie aus narbigen, entstellten Visagen, aus denen ausdruckslose Augen zurückstarrten.
Schon die ganze Zeit, seit er auf der Insel weilte, verspürte der Conde nagende Unruhe, ohne dass er hätte sagen können, was die Ursache dafür sein mochte. Vielleicht, sagte er sich, lag es an der Gesellschaft all dieser Mörder und Halsabschneider und an der grotesken Erscheinung, die Bricassart selbst bot. Vielleicht auch an dem eigentümlichen Gestank, der über der alten Gouverneursfestung lag und in jeden Winkel zu dringen schien.
Navarros vertraute Offiziere, die ebenfalls zum Bankett geladen waren, teilten die Unruhe ihres Conde, zumal man ihnen beim Betreten des Saals die Waffen abgenommen hatte. Natürlich hatte Navarro energisch dagegen protestiert, aber Bricassart hatte ihm klar gemacht, dass dies seine Insel und seine Festung waren und dass kein anderer als er die Bedingungen hier diktierte.
Ein wenig widerstrebend langte nun auch der Graf von Maracaibo nach einem Stück Fleisch, während eine glutäugige Schönheit, die nichts als einen durchsichtigen Schleier trug, aus einer schlanken Amphore Wein in seinen Kelch goss. Spanischen Wein, verstand sich – Bricassart mochte verdorben sein, aber er hatte keinen schlechten Geschmack.
»Lasst uns einen Trinkspruch ausbringen«, tönte Bricassart mit noch halb vollem Mund und hob seinen mit Rubinen versehenen Goldpokal. »Einen Trinkspruch auf ein Bündnis, das für beide Seiten von Vorteil ist – und das noch reiche Früchte tragen wird.«
Der Commodore grinste breit und entblößte seine Zähne. Zu seiner Abscheu sah Navarro, dass sie zugespitzt worden waren, was dem Piratenhäuptling ein noch fürchterlicheres Aussehen verlieh. Bereitwillig griff der Conde nach seinem Kelch, konnte allerdings nicht verhindern, dass seine Rechte dabei zitterte. Diebeiden ungleichen Verbündeten prosteten einander zu, und ihre Leute taten es ihnen gleich, wobei die Piraten ungleich größeren Spaß daran zu haben schienen als Navarros eingeschüchtertes Gefolge.
»Entspannt Euch«, forderte Bricassart den Conde auf. »Was ist mit Euch, Navarro? Fühlt Ihr Euch nicht wohl in meiner Gesellschaft? Sind Euch meine Manieren nicht fein genug?« Er lachte erneut und ließ den halb zerkauten Inhalt seines Mundes dabei sehen. Navarro konnte nicht anders, als sich angewidert abzuwenden.
» Oui, ich dachte es mir«, tönte Bricassart weiter. »Ich bin gut genug, um Euer Helfer zu sein, das Mittel zum Zweck, damit Ihr Eure hochgesteckten Ziele erreichen könnt. Ich bin gut genug, um die Silberflotte für Euch auszurauben, und ganz sicher bin ich auch gut genug,
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