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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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enthalten mochte oder auch einfach nur Gift, war der Piratenführer in der Lage, Menschen in willenlose Sklaven zu verwandeln, die seinen Befehlen widerspruchslos gehorchten und bereit waren, ohne Zögern für ihn in den Tod zu gehen.
    Ein Heer aus solchen Kämpfern, dachte Elena schaudernd, war jeder noch so entschlossenen Streitmacht überlegen. Auf Tortuga hatte sie gesehen, wie Bricassarts Männer kämpften, und sie zweifelte nicht daran, dass die neu Hinzugekommenen mit derselben Wildheit fechten würden. Auf diese Weise scharte Bricassart ein unbezwingbares Heer um sich, eine Armee von Soldaten, die mehr tot waren als lebendig und den Tod nicht mehr fürchteten. Sie waren umfangen von ewiger Dunkelheit und hatten nur das eine Ziel, ihrem Gebieter Bricassart zu dienen – so wie Carlos de Navarro.
    Elena wandte den Blick zu ihrem Vater, sah ihn plötzlich mit anderen Augen. Nun wusste sie, was ihm widerfahren war und weshalb er ihrem Flehen mit Gleichgültigkeit begegnete. Auch der Conde stand unter der Wirkung des Tranks – die Entscheidung jedoch, mit Bricassart und seiner Piratenbrut gemeinsame Sache zu machen, hatte er getroffen, als sein Wille noch frei gewesen war. Gier und Rachsucht hatten ihn dazu getrieben, und Elena konnte nicht anders, als tiefe Abscheu zu empfinden.
    Nick Flanagan hatte Recht gehabt. Adel privilegierte dieMenschen nicht dazu, gut zu sein oder gerechte Entscheidungen zu treffen. Im Fall ihres Vaters hatte Elena sich blenden lassen von Freundlichkeit und schönen Worten – in Wahrheit war Carlos de Navarro der Pirat, während Nick Flanagan ein Mann von Ehre gewesen war. Aber die Erkenntnis kam zu spät, und Elena wusste, dass sie für dieses Versäumnis schwer würde bezahlen müssen.
    »Vater«, flüsterte sie, »was ist nur aus dir geworden?«
    »Verstehst du jetzt, was ich meinte?«, fragte der Conde. »Weißt du jetzt, warum es keinen Sinn hat, sich dem Commodore zu widersetzen?«
    »Ja«, erwiderte sie, »ich weiß es jetzt. Und ich weiß auch, weshalb du nicht mehr der Vater bist, den ich einst kannte und liebte. Du hast dich Bricassart verkauft. In deiner Gier nach Reichtum und Macht bist du sein Diener geworden. Ich bemitleide dich.«
    »Dann wirst du dich dem Befehl des Meisters beugen?«, erkundigte sich Navarro ungerührt.
    Elena antwortete nicht sofort. Ihr Innerstes sträubte sich dagegen, den Wünschen des feisten Ungeheuers zu willfahren, das dort auf dem Podium thronte und mit dem roten Auge um sich starrte – aber hatte sie denn eine Wahl? Wenn sie sich weigerte, Damian Bricassart zu heiraten, würde man sie zwingen, den Trank zu schlucken. Dann würde auch sie zu einem Schatten verblassen, zu einer lebenden Toten. Davor hatte Elena noch ungleich größere Furcht als davor, die Frau eines Mannes zu werden, den sie aus tiefstem Herzen verabscheute und der der Mörder Nick Flanagans war.
    Ihr Widerstand war gebrochen. Krampfhaft nickte sie, und unter dem Eindruck des Grauens, das sie erlebt und gesehen hatte, gab sie ihr Einverständnis.
    »Eine weise Entscheidung, meine Tochter«, hörte sie Navarro wie aus weiter Ferne sagen – und wieder war ihr, als werde die Welt in den Grundfesten erschüttert.

8.
    Nordküste Jamaicas
6. Juni 1692
     
    W ie Jäger auf der Suche nach Beute hatten sich die drei britischen Schiffe an die Insel herangepirscht, die sich als sanfte Wölbung aus der endlos scheinenden See erhob. Drei Tage lang waren sie der Küste Kubas gefolgt, zunächst in südlicher, dann in westlicher Richtung, um schließlich die Überfahrt nach Jamaica zu wagen.
    Bei Einbruch der Dämmerung erreichte das Geschwader die Nordseite der Insel. Scarborough ließ die Segel reffen und ordnete an, die Positionslampen und die Beleuchtung an Bord zu löschen. Auf diese Weise gedachte der Offizier, ungesehen die Osthälfte der Insel zu umfahren und in der Nacht in Port Royal einzutreffen, um Bricassart und seine Piratenbande noch im Schlaf zu überraschen.
    Die Stimmung an Bord der Prosecutor war überraschend gut, wenn man bedachte, was in den Spelunken von Barbados bis New Providence über Bricassart erzählt wurde. Dafür, dass sie im Begriff waren, es mit einem angeblichen Geist aufzunehmen, waren die Männer erstaunlich guter Dinge – Nick nahm an, dass man ihnen satte Prisengelder versprochen hatte, wenn sie ihreArbeit nur tüchtig und furchtlos erledigten. Allerdings wusste er aus Erfahrung, dass eine solche Stimmung sich rasch ins Gegenteil verkehren konnte.
    Was

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