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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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passierten seine Schiffe die Klippe und fuhren in den Hafen von Port Royal ein. Die Stückpforten zu beiden Seiten der Rümpfe platzten auf, und die Rohre schussbereiter Kanonen erschienen.
    »Diese elende Bilgeratte«, ereiferte sich Nobody Jim und ballte die Fäuste. »Er hat uns hintergangen! Er hat uns nur benutzt, um den Weg zu finden, jetzt lässt er uns hängen.«
    »Sieht ganz so aus«, war alles, was Nick dazu einfiel – im Augenblick war er viel zu entsetzt, um einen klaren Gedanken zufassen. Sein ganzer Plan, wie Bricassart und seine Bande überlistet werden könnten, war mit einem einzigen Schnitt zunichte gemacht worden.
    Aus Arroganz und Ehrsucht hatte Scarborough ihre Abmachung gebrochen und überließ Nick und seine Freunde ihrem Schicksal. Admiral Lancaster würde er später vermutlich sagen, dass Nicks Plan kläglich fehlgeschlagen war und er keine andere Wahl gehabt hatte.
    Vorausgesetzt, es gab ein ›Später‹.
    Dann fiel schon der erste Schuss.
    Donnernd gab das Buggeschütz der Prosecutor das Signal zum Angriff – eine grell lodernde Stichflamme, die in die Nacht hinausschoss und eine acht Pfund schwere Eisenkugel auf den Weg schickte. Der Knall war ohrenbetäubend und wurde von der Klippe und den umgebenden Hängen zurückgeworfen.
    »So viel dazu, Bricassart im Schlaf zu überraschen«, versetzte Nobody Jim sarkastisch. »Jetzt ist er jedenfalls wach.«
    Nick begriff, dass ihnen keine Zeit blieb, über Scarboroughs ebenso eigenmächtiges wie törichtes Handeln wütend zu sein. Denn seines Antriebs beraubt, drohte der Fliegende Drachen abzudriften. Wenn er noch weiter an Höhe verlor, würde er mit der Klippe kollidieren, die die östliche Hafeneinfahrt begrenzte – und das würde ihr Ende sein …
    »Bugfeuer!«, befahl Nick kurzerhand. Die Gefahr der Entdeckung zählte plötzlich nicht mehr. Die Klippe war das erste Hindernis, das sie überwinden mussten, wenn sie am Leben bleiben wollten. Was danach kam, war im Augenblick nicht von Belang.
    Unten in der Bucht ging der Beschuss durch Scarboroughs Kanonen weiter. Wie ein Gewitter ließ das Stakkato mehrerer Breitseiten den Hafen erzittern. Eine Ketsch und eine Galeone, die inder Bucht ankerten, wurden in Stücke geschossen. Masten knickten ein und barsten, die Wachen der Schiffe sprangen schreiend über Bord. Niemand von ihnen hatte Muße, nach der Flamme zu schauen, die unvermittelt am Himmel über Port Royal aufblitzte und ein seltsam buntes Gebilde beleuchtete, dessen langer Schweif im Wind flatterte.
    Das Bugfeuer des Luftschiffs flammte auf, aber es brachte nicht den gewünschten Erfolg. Zwar sorgte es dafür, dass die Luft im Inneren des Flugkörpers wieder erwärmt wurde, aber der Auftrieb reichte nicht aus: In schrägem Winkel hielt der Fliegende Drachen auf den Fels der Klippe zu, würde in wenigen Augenblicken daran zerschellen.
    »Wir müssen Ballast abwerfen!«, rief Nick verzweifelt und warf das eingeholte Seil und sein Entermesser über Bord, behielt nur den Dolch, den er am Gürtel trug. Seine Kameraden folgten seinem Beispiel, nur Unquatl behielt seine Pfeile und den Bogen – aber auch dieses Opfer brachte nicht die erhoffte Wirkung.
    Unaufhaltsam stürzte das Luftschiff der Felswand entgegen, und dies umso mehr, da es nach dem Verlust des Antriebs führerlos war. Der ursprüngliche Plan hatte vorgesehen, sich von der Prosecutor, die in Hafennähe ihre Fahrt verlangsamte, einem Geschoss gleich in die gewünschte Richtung schleudern zu lassen. Nach den Berechnungen des Chinesen hätte dies bei günstigem Wind ausreichen müssen, um zur Festung zu gelangen. Nun aber war das Gegenteil eingetreten – nicht die Prosecutor, sondern das Luftschiff hatte seine Geschwindigkeit verlangsamt und war dadurch zum Spielball der Winde geworden, die um die Klippe pfiffen und es gegen die Felswand zu pressen drohten.
    »Verdammt«, schrie Nobody Jim, »was sollen wir nur tun?«
    »Beten«, erwiderte Pater O’Rorke, der die Hände gefaltet hatte und die Augen geschlossen hielt.
    »Worum?«, hielt Jim hysterisch dagegen. »Um eine goldene Harfe?«
    Gehetzt blickte Nick an der Klippe empor. Noch zehn, vielleicht zwölf Yards bis zur Kante – sie würden es nicht schaffen.
    Er sah die entsetzten Blicke seiner Kameraden. Sie alle hatten den sicheren Tod vor Augen. Wenn in den nächsten Sekunden kein Wunder geschah, waren sie verloren …

11.
    I nfernalisches Brechen und Bersten war die Folge, als die Kugeln der Angreifer in dichter Folge

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