Die Erben der Schwarzen Flagge
zweifelte keinen Augenblick daran, Bricassart höchstpersönlich vor sich zu haben, das Phantom der Karibik.
Aber der Pirat war nicht allein; in seiner Begleitung befanden sich – der Captain traute seinen Augen kaum – Nick Flanagan und seine Gefährten, unversehrt bis auf den Pfaffen, der eine Kugel abbekommen zu haben schien und einen blutgetränkten Verband am Arm hatte. Außerdem war eine junge Frau mit langem schwarzem Haar bei ihnen, Spanierin offenbar, deren Schönheit Scarborough an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit in ihren Bann geschlagen hätte.
»Flanagan!«, schnaubte er, als er seinen Intimfeind an der Seite Bricassarts gewahrte. »So sehe ich Euch also wieder, Verräter! Ich hatte Recht mit meiner Vermutung – Ihr arbeitet in Wahrheit für Bricassart.«
»Au contraire, mon capitain« , tönte Bricassart, noch ehe der Beschuldigte selbst etwas entgegnen konnte. »Ganz im Gegenteil. Der gute Master Flanagan ist mein Gefangener, genau wie Ihr.«
Jetzt sah Scarborough die Fesseln, mit denen Nick und die anderen gebunden waren, und er erkannte seinen Irrtum. Zwarkonnte er sich nicht erklären, wie sie es geschafft haben mochten, den Absturz mit ihrem Flugvehikel zu überleben, aber die Anwesenheit Flanagans sowie der unverhohlene Spott in der Stimme Bricassarts sorgten dafür, dass er alle Vernunft vergaß und lieber sterben wollte, als den Piraten triumphieren zu sehen.
»Noch bin ich nicht Euer Gefangener, Bricassart«, sprach er deshalb voller Eigensinn. »Wie Ihr seht, halte ich meine Klinge in den Händen und stehe aufrecht auf zwei Beinen. Glaubt Ihr im Ernst, ein Offizier der britischen Krone würde sich ein paar dahergelaufenen Piraten ergeben?«
Die Blicke seiner Untergebenen machten deutlich, dass zumindest die Mannschaftsdienstgrade es mit den Prinzipien weniger genau nahmen, aber Scarboroughs Autorität reichte noch aus, um sie alle schweigen zu lassen. Nicht einmal Benson widersprach.
»Wie unklug von Euch«, konterte Bricassart. »Dabei versichere ich Euch, dass Euch und Euren Leuten kein Haar gekrümmt wird – sofern Ihr Euch bereit erklärt, mir Treue zu schwören und meiner Bruderschaft der Flibustiers beizutreten.«
»Das schlagt Euch aus dem Kopf«, lehnte Scarborough ab, obgleich nicht wenige seiner Männer Bricassarts Vorschlag zustimmend benickten. »Wir sind Kämpfer der britischen Krone und keine ehrlosen Piraten. Lieber sterben wir, als König und Vaterland zu verraten.«
»Nun hört euch das an.« Bricassart wandte sich Nick zu. »Flanagan, versucht, diesen englischen Dickschädel umzustimmen. Ich sehe kräftige Burschen unter seinen Leuten, und es täte mir Leid, sie alle zu vernichten. Wenn Ihr nach Eurem Vater kommt, liegt Euch das Wohl dieser Leute sicher am Herzen?«
»Das tut es«, versicherte Nick, »und aus diesem Grund kann ich ihnen nicht zureden, sich Euch zu ergeben. Denn wenn siees tun, werdet Ihr sie zwingen, Euer verdammtes Gesöff zu schlucken, und sie zu willenlosen Sklaven machen. Kein freier Mann hat ein solches Schicksal verdient. Da mag es besser sein, mit der Waffe in der Hand zu sterben.«
Damit trat Nick vor und gesellte sich zu Scarboroughs Verblüffung zu ihm und seinen Leuten.
»Was hat das zu bedeuten, Flanagan?«, fragte der Offizier unwirsch.
»Das bedeutet, dass ich, obwohl Ihr uns schmählich im Stich gelassen habt, lieber an Eurer Seite sterben als an der von Bricassart leben will. Aber bildet Euch nicht ein, dass ich Euch Euren Verrat verziehen hätte.«
Er hielt Scarborough seine Fesseln hin, die dieser kurzerhand durchschnitt. Jim, Unquatl und Pater O’Rorke folgten Nick ohne Zögern – auch sie wollten lieber kämpfend untergehen, als sich dem Ritual des Schamanen zu unterziehen und nicht mehr Herr ihres Handelns zu sein. Wer wusste zu sagen, was Bricassart ihnen befehlen würde, wenn sie erst unter seiner Kontrolle standen? Der Tod bot davor die einzige Sicherheit.
Als auch Elena sich zu ihnen gesellen wollte, schritt Bricassart ein. »Halt«, rief er mit gebietender Stimme, »sie nicht. Es ist schlimm genug, wenn gute Männer grundlos sterben, und ich werde nicht zulassen, dass ihre Schönheit unter einer Enteraxt endet.«
»Lasst mich los!«, protestierte Elena und stemmte sich energisch gegen den Griff ihrer Häscher. »Ihr sollt mich gefälligst loslassen, ihr ungehobelten Kerle! Nick, hilf mir!«
»Nein, Elena.« Nick schüttelte den Kopf. »Das ist nicht dein Weg. Du bist stark genug, das alles zu
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