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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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angesichts ihrer Lage geradezu grotesk wirkte, klopfte Scarborough seinem Stellvertreter ermunternd auf die Schultern. Dann ließ er ihn auf dem Achterdeck stehen und gesellte sich zu den Soldaten und Matrosen, die sich zum rasselnden Signal der Trommeln auf Deck versammelten.
    Die beiden Barkassen, mit denen die überlebenden Besatzungsmitglieder der Harbinger geborgen worden waren, dümpelten im Schutz ihres mächtigen Mutterschiffs. An Jakobsleitern und Seilen kletterten die Kämpfer hinab und besetzten die Boote – insgesamt knapp zweihundert Mann, die das darstellten, was von Scarboroughs stolzer Streitmacht noch übrig war. Insgeheim fragte sich der Captain, ob es nicht besser gewesen wäre, Flanagan und den Seinen eine Chance zu lassen, aber er verwarf den Gedanken sofort wieder. Militärisch zu denken bedeutete, sich auf die tatsächlichen Gegebenheiten zu beschränken – und Flanaganund seine Leute dienten längst den Fischen als Nahrung, standen also nicht mehr zur Diskussion.
    Mit kräftigen Ruderschlägen trieben die Seeleute die Barkassen dem Ufer entgegen, während die Prosecutor aus allen Rohren feuerte. Obwohl er in Scarboroughs Augen ein Hasenfuß war, machte Benson seine Sache bemerkenswert gut und überzog die Westflanke der Festung mit einem Eisengewitter, das Bricassarts Kanoniere in Deckung zwang. Gleichwohl kamen einige von ihnen dennoch zum Schuss – und nur wenige Yards von Scarboroughs Barkasse entfernt schlug eine Kugel ins Wasser.
    Die Fontäne spritzte meterhoch und übergoss die Insassen des Bootes mit weißer Gischt. Die Barkasse schaukelte heftig in den Wellen.
    »Vorwärts! Vorwärts!«, trieb Scarborough, der vorn auf der Bugducht stand und den Säbel schon in der Hand hatte, seine Leute erbarmungslos an. »Für König und Vaterland!«
    Noch mehr Festungsgeschütze verschickten donnernd ihre Ladung. Die Prosecutor erlitt einen Treffer, und erneut gingen mehrere Geschosse rings um die Barkassen nieder. Die Männer verfielen in entsetztes Geschrei und ruderten um ihr Leben – und endlich langten die beiden Boote am Ufer an. Scarborough war der Erste, der an Land setzte, die geladene Pistole in der Hand. Weit und breit war nichts zu sehen außer brennenden Hütten – die Einwohner schienen Port Royal in heller Panik verlassen und sich in die Festung zurückgezogen zu haben.
    »Vorwärts, Männer!«, rief der Offizier in einem Anflug von Triumph. »Das räudige Piratenpack ist geflüchtet! Port Royal gehört uns!«
    Die Männer verfielen in wüstes Gebrüll, weniger aus Siegesfreude als vielmehr, um sich selbst Mut zu machen. Während weiter die Kanonenkugeln pfiffen und die Prosecutor sich einschweres Gefecht mit den Festungsgeschützen lieferte, erklommen Soldaten und Seeleute das Ufer – die einen mit Säbeln und Musketen bewaffnet, die anderen mit Entermessern, Dolchen, Pistolen, Äxten und allem anderen, was das Arsenal der Seekriegsführung hergab.
    An der Spitze seiner Unterführer setzte sich Scarborough in Bewegung, stürmte an brennenden und teils eingestürzten Gebäuden vorbei zum Marktplatz, wo die Kirche stand, die wie durch ein Wunder von allem Beschuss unversehrt geblieben war. Hier mündete die Straße, die hinaufführte zur Festung, und dorthin wollte Scarborough.
    Wenn er jedoch geglaubt hatte, dass Bricassart ihm den Zugang zu seinem Domizil ohne weiteres gestatten würde, so hatte er sich geirrt. Denn Port Royal selbst mochte von den Piraten geräumt worden sein – die Straße zur Festung war es nicht.
    Scarboroughs Nackenhaare sträubten sich, als er die Streitmacht gewahrte, die aus der rauchdurchsetzten Dunkelheit trat. Kämpfer in spanischen Rüstungen waren darunter, aber auch solche in holländischer und britischer Tracht. Die Art und Weise, wie sie den Angreifern entgegenmarschierten, verriet jedoch, dass sie nicht mehr ihren alten Herren dienten, sondern die Lager gewechselt hatten.
    »Zum Angriff, Männer! Überrennt diese elenden Verräter!«, lautete Scarboroughs schallender Befehl, und er selbst betätigte den Abzug seiner Waffe und schoss den vordersten Angreifer nieder.
    Der Mann ging leblos zu Boden – aber statt in Deckung zu gehen oder ihren Schritt zumindest zu verlangsamen, marschierten die Piraten einfach weiter, schienen weder Tod noch Verwundung zu fürchten.
    Scarborough feuerte den zweiten Lauf seiner Pistole ab undschickte einen weiteren Seeräuber ins Jenseits. Auch seine Männer eröffneten das Feuer, ihr Bleihagel sengte

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