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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Gedanken betrogen, dass ich eines Tages frei sein und wieder unter dem weiten Himmel segeln würde. Aber das ist alles Unfug. Jim hat Recht – wir werden nie etwas anderes sein als Sklaven. Je eher ich mich damit abfinde, desto besser.«
    »Nein«, widersprach Angus entschieden. »Ich will nicht, dass du dich damit abfindest, Junge. Niemals, hast du verstanden?«
    »Warum nicht?«
    »Weil es immer Hoffnung gibt, deshalb.«
    »Das sagt mir jemand, der die Schlinge des Henkers schon um den Hals hat?«, fragte Nick voller Bitterkeit.
    »Es gibt immer Hoffnung«, beharrte der alte Seemann, »selbst an einem Ort wie diesem.«
    »Tatsächlich?«
    »Allerdings. Denke nur an den Traum, der dich verfolgt.«
    »Was soll damit sein? Ich habe diesen Traum, solange ich zurückdenken kann. Aber es ist nur ein Traum, nichts weiter.«
    Angus blickte ihn unverwandt an. »Und was«, fragte er, »wenn es mehr wäre als ein Traum?«
    »Was meinst du?«
    »Nick, in ein paar Stunden werde ich nicht mehr am Leben sein. Aber ich will nicht gehen, ohne dir ein paar Dinge gesagt zu haben. Es wird nicht leicht für dich sein, all das zu verstehen, doch ich muss dir die Wahrheit sagen.«
    »Die Wahrheit? Worüber?«
    »Darüber, wer du bist. Und auch darüber, wer ich bin.«
    »Wer sollst du schon sein? Du bist mein Vater.«
    »Nein, Nick.« Angus schüttelte traurig den Kopf. »Das bin ich nicht.«
    »Was?«
    »Gott ist mein Zeuge, dass ich dich liebe wie mein eigen Fleisch und Blut. Aber er möge mich auch auf der Stelle niederstrecken, wenn ich nicht die Wahrheit sage. Ich habe dich aufgezogen und an Kindes statt angenommen, Nick. Aber ich bin nicht dein Vater.«
    »Aber …«
    »Ich fand dich während einer Fahrt durch die Windward-Passage, als ich als Maat auf einem Frachtschiff diente. Plötzlich meldete der Ausguck einen Nachen an Steuerbord, und wir gingen längsseits. Da sah ich dich zum ersten Mal. Du hast weinend im Boot gesessen, bei dir war ein schwer verletzter britischer Seemann. Er murmelte etwas von einem Piratenüberfall und bat mich, mich deiner anzunehmen – dann starb er in meinen Armen, noch ehe ich mehr von ihm erfahren konnte. So ist es gewesen, Junge, das schwöre ich.«
    »Dann sind die Bilder, die ich in meinen Träumen sehe …«
    »Es sind Erinnerungen, Nick. All das ist wirklich geschehen, als du noch ein kleiner Junge gewesen bist. Ich nehme an, dass das Schiff, auf dem du warst, in einen Hinterhalt geriet und versenkt wurde. Allem Anschein nach warst du der einzige Überlebende.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Nick tonlos, während vor seinem geistigen Auge erneut die unheimlichen Traumbilder auftauchten – Eindrücke von einem Gefecht auf hoher See, von donnernden Kanonen und tobenden Flammen, von undeutlichen Gestalten, die an ihm vorüberwischten und ihm Worte zuriefen, die er nicht verstehen konnte. Sein ganzes Leben lang hatte sich Nick gefragt, was diese Bilder zu bedeuten haben mochten. Nun endlich erfuhr er es …
    »Warum hast du es mir nie gesagt?«, wollte er wissen.
    »Weil ich ein Narr gewesen bin.« Der alte Angus verzog das Gesicht. »Ich wusste, dass du mich verlassen würdest, um deine wahre Herkunft zu erforschen. Da ich dich liebe wie einen eigenen Sohn, brachte ich es nicht über mich, dich einfach ziehen zu lassen. Später dann, in der Gefangenschaft der Spanier, konnte ich es nicht mehr. Abgesehen davon – hier spielt es keine Rolle, wer man ist und woher man kommt, oder?«
    »Vermutlich nicht«, gab Nick zu. »Aber sollte ein Mann nicht seine Vergangenheit kennen? Sollte er nicht wissen, wer er ist?«
    »Allerdings«, gestand Angus ein. »Heute ist mir nur zu bewusst, dass ich falsch gehandelt habe. Ich hätte dir früher die Wahrheit sagen müssen. Kannst du einem alten Mann verzeihen, dass er dich aus Furcht und Selbstsucht belogen hat?«
    Der Mann, den Nick all die Jahre für seinen leiblichen Vater gehalten hatte, blickte ihn flehend an, und in Anbetracht der Zuneigung und Fürsorge, die er ihm hatte angedeihen lassen, konnte Nick nicht anders, als ihm zu vergeben. Mochten die Dinge liegen, wie sie wollten – es änderte nichts daran, dass der alte Seemann seine Familie war, die einzige, die er je gekannt hatte. Mit einem matten Lächeln gab Nick seinem Ziehvater zu verstehen, dass er ihm nichts nachtrug.
    »Ich danke dir, mein Junge«, sagte Angus sichtlich erleichtert. »Nun kann ich in Frieden sterben. Und du weißt jetzt, weshalb du um jeden Preis am Leben bleiben musst. Du hast

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