Die Erben der Schwarzen Flagge
mir denken«, erwiderte Nick tonlos.
»Wohl kaum.« Navarro schüttelte die schwarze Mähne. »Denn bevor ich Aufrührern die Gnade des Todes zuteil werden lasse, pflege ich sie meinen Folterknechten zu überantworten. Und diese verstehen ihr Handwerk, das kann ich dir versichern.«
Nick erwiderte nichts, blickte nur starr vor sich hin – was hätte er auch zu seiner Verteidigung vorbringen sollen? Was ein englischer Sklave zu sagen hatte, galt nichts in spanischen Ohren, und seine Verurteilung stand ohnehin schon fest.
»Gnade«, flehte der alte Angus. »Schont sein Leben, Herr, ich bitte Euch! Er ist jung und unerfahren.«
»Alt genug, um einen meiner Leute zu töten«, beharrte der Conde.
»Er hat es nur um meinetwillen getan, Herr. Mich trifft alle Schuld, deshalb bestraft nicht ihn, sondern mich.«
»Keineswegs«, widersprach Nick trotzig. »Das einzige Vergehen meines Vaters besteht darin, alt und schwach zu sein. Ich hingegen habe einen Eurer Leute getötet, also tut, was Ihr tun müsst.«
»Hört nicht auf ihn, Herr! Er ist jung und töricht und weiß nicht, was er spricht.«
Ein nachdenkliches Seufzen war alles, was Navarro daraufhin vernehmen ließ. »Was soll ich mit euch beiden anfangen?«, fragte er hochmütig. »Ein Vater und ein Sohn, die sich füreinander opfern wollen und es mit dem Sterben ziemlich eilig zu haben scheinen. Am besten wird es sein, wenn ich euch beide vor aller Augen vierteilen lasse. Das wird den Übermut der Sklaven dämpfen.«
»Nein!«, rief Angus verzweifelt. »Bitte nicht, Herr! Mit mir tut, was Euch beliebt, aber den Jungen lasst am Leben!«
»Nun gut.« Der Graf lächelte – ein gefährliches Lächeln, voller Gemeinheit und Hinterlist. »Ich werde dir die Gnade erweisen, alter Mann. Ich werde das Leben deines Sohnes schonen, wenn du bereit bist, seine Strafe auf dich zu nehmen.«
»Nein!«, rief Nick entsetzt.
»Warum nicht? Es ist ein guter Handel. Du bist jung und kräftig, dein Vater hingegen ist alt und schwach. Soll er nur sterben, wenn er unbedingt will – du hingegen wirst mir noch gute Dienste leisten. Und das Weiterleben in Sklaverei wird für dich eine noch größere Strafe sein als der Tod, habe ich Recht?«
»Danke, Herr! Danke!«, rief der alte Angus aus, als hätte man ihn begnadigt – während Nick energisch protestierte.
»Das ist nicht gerecht!«, ereiferte er sich und zerrte wütend an den Ketten. »Ich habe den Aufseher umgebracht. Mich ganz allein müsst Ihr bestrafen, nicht meinen Vater!«
»Er wollte es so – und es ist beschlossen«, sagte Navarro schlicht. »Das Urteil wird noch heute vollstreckt.«
»Nein!«, brüllte Nick aus Leibeskräften, aber der Graf hörte ihm nicht mehr zu. Navarro wandte sich ab und verschwand mit raschen Schritten, sein weiter Mantel bauschte sich hinter ihm. Die Soldaten folgten ihm mit klirrenden Waffen, nur der Aufseher verharrte noch an den Gitterstäben, um Nick und seinem Vater ein schadenfrohes Grinsen zu schicken.
»Das habt ihr davon«, kicherte er boshaft. »So geht es allen Sklaven, die sich gegen uns auflehnen.«
Mit höhnischem Gelächter auf den Lippen verschwand auch er, und Nick und sein Vater blieben allein in ihrer Zelle zurück.
Eine endlos scheinende Weile schwiegen sie.
»Vater?«, fragte Nick schließlich.
»Ja, mein Junge?«
»Ich wollte nicht, dass es so kommt.«
»Ich weiß, Junge.«
»Warum hast du das getan? Ich habe San Guijuela getötet, also sollte ich auch dafür bezahlen.«
»Weil du am Leben bleiben musst«, entgegnete der alte Angus voll Überzeugung. »Es ist nicht deine Bestimmung, in diesem Kerker zu sterben.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es.«
»Und was ist mit deiner Bestimmung?«
»Mein Weg ist hier zu Ende, mein Junge. Ich bin ihn aufrechtgegangen bis zuletzt, aber nun ist es vorbei. Glaubst du, ich wüsste nicht, wie es um mich bestellt ist? Sterbe ich nicht von der Hand des Henkers, wird der Skorbut mich binnen kurzem dahinraffen. Mein Leben ist zu Ende – deines hingegen hat erst begonnen.«
»Es hat erst begonnen? Wovon sprichst du, Vater?« Nick schnaubte. »Ich bin ein Sklave wie du, und daran wird sich wohl niemals etwas ändern.«
»So etwas darfst du nicht sagen.« Angus schüttelte sein kahles Haupt. »Wo ist deine Hoffnung geblieben? Deine Träume?«
»Es gibt keine Hoffnung«, erwiderte Nick. »Ich bin ein verdammter Narr gewesen. Die ganze Zeit über habe ich mir etwas vorgemacht. All die Jahre habe ich mich mit dem
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