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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ein Schicksal zu erfüllen, eine Bestimmung.«
    »Was für eine Bestimmung?«
    »Du musst herausfinden, wer du wirklich bist. Du musst deinen Wurzeln folgen, Nick. Denn eines wusste ich von Anfang an – dass du kein gewöhnlicher Junge bist. Von Beginn an war da irgendetwas Besonderes an dir, von dem ich annehme, dass es mit deiner Herkunft zusammenhängt. Versprich mir, dass du die Hoffnung niemals aufgeben und alles dafür tun wirst, um am Leben zu bleiben.«
    Nick zögerte einen Augenblick. »Ich verspreche es, Vater«, flüsterte er schließlich.
    Tränen traten in die Augen des Alten. »Ich verfluche diese elenden Spanier dafür, dass sie mich hier festgekettet haben und es mir versagt ist, dich ein letztes Mal zu umarmen. Aber meine guten Wünsche begleiten dich, mein Junge, und wenn du einst ein freier Mann bist, dann werde ich voller Stolz vom Himmel auf dich herabsehen. Vorausgesetzt, ich komme dorthin … nach allem, was ich getan habe.«
    »Daran habe ich keinen Zweifel, Vater«, gab Nick zurück, gleichfalls mit den Tränen ringend. »Du bist ein guter Mensch, und ich bin dir dankbar für alles, was du für mich getan hast.«
    »Nein, mein Junge – ich habe dir zu danken«, widersprach der Alte, und es war das letzte Mal, dass Nick ihn lächeln sah. »Nun hör zu, Junge: Wenn ich nicht mehr bin und man dich aus diesem düsteren Gemäuer entlassen hat, so suche mein Lager auf. Am Kopfende findest du etwas vergraben, das dir gehört. Du hattest es um den Hals, als ich dich fand, und diese verdammten Spanier haben es glücklicherweise nie in die Finger bekommen.Nimm es an dich, vielleicht kann es dir helfen herauszufinden, wer du bist.«
    »Ich verstehe, Vater.«
    »Du bist ein guter Junge, Nick. Ich habe dir alles beigebracht, was ich weiß. Gebrauche dieses Wissen, wenn du kannst, und vergiss mich nicht. Folge deinem Stern, hörst du? Folge deinem Stern …«
    »Das werde ich«, versicherte Nick mit von Trauer schwerer Stimme, während auf dem Gang erneut Schritte laut wurden. Die Folterknechte kamen, um den alten Angus zu holen.
    Schattenhafte Gestalten erschienen vor der Gittertür, die das Schloss geräuschvoll öffneten. Mit metallischem Knarren schwang die Tür auf, und Navarros Schergen traten in die Zelle – brutale Kerle, die schwarze Kapuzen über den Köpfen trugen, wie es die Art ihrer grausamen Zunft war.
    »Komm, Sklave«, fuhr einer von ihnen den alten Angus an, »du hast eine Verabredung mit dem Scharfrichter.«
    Die anderen lachten derb, und Nick musste zusehen, wie sein Ziehvater losgekettet und aus der Kerkerzelle geschleppt wurde.
    »Vater!«, rief er hilflos.
    »Leb wohl, Junge«, raunte der Alte ihm zu. Ein letztes Mal trafen sich ihre Blicke, dann hatten die Folterknechte ihn schon den Gang und außer Sicht hinabgezerrt.
    »Bastarde!«, rief Nick ihnen hinterher. »Ihr elenden Schweine, lasst ihn in Ruhe!« – aber seine Proteste verhallten ungehört.
    Stille kehrte ein, beklemmend und unheimlich.
    Fassungslos starrte Nick auf die leeren Fesseln an der Wand, in denen sein Ziehvater soeben noch gelegen hatte, und musste daran denken, was der alte Mann ihm offenbart hatte. Er konnte es kaum glauben, aber eine innere Stimme sagte ihm, dass es die Wahrheit sein musste; dass er nicht wirklich der Sohn eineseinfachen Seemanns war, sondern seine wahre Herkunft im Dunkeln lag.
    Und noch während Nick darüber nachsann, wo seine wahren Wurzeln liegen mochten, hörte er einen gellenden Schrei.
    Die Folter hatte begonnen …
     
     
     
    Im Speisesaal der gräflichen Residenz herrschte gedämpftes Licht. Die Dienerschaft des weitläufigen Gebäudes, das inmitten der hohen Festungsmauern gelegen war, hielt die Fensterläden tagsüber geschlossen, sodass es im Innern angenehm kühl und dunkel war. Das wenige Sonnenlicht, das in die prunkvoll eingerichteten Räumlichkeiten drang, wurde von den Lamellen der Läden in schmale Streifen geschnitten. Diener in samtenen Livreen schwenkten große Palmblätter, um den beiden Personen, die an den entgegengesetzten Enden der langen Tafel saßen, kühle Luft zuzufächeln. Ein weiterer Bediensteter spielte auf dem Cembalo, das in der hinteren Ecke des Raumes stand und das Elena de Navarro aus Spanien mitgebracht hatte.
    »Und?«, erkundigte sich die junge Frau bei ihrem Vater, der ihr am anderen Ende des Tisches gegenübersaß und seinen mit Honig glasierten Gänsebraten genoss. »Findest du Gefallen an der Tafelmusik?«
    »Allerdings, Tochter.« Navarro

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