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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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unbändiger Zorn.
    »Bastard!«, brüllte er und wehrte sich mit aller Kraft gegen seine Häscher. »Lasst mich los, ihr Schweine! Vater …!«
    Wieder schlug San Guijuela zu, und zwischen zwei mörderischen Hieben brachte der alte Angus es fertig, zu Nick herüberzusehen und ihm einen warnenden Blick zu schicken.
    »Nicht, Junge«, stöhnte er. »Ich bin es nicht wert …«
    Wieder folgte ein Peitschenhieb, der den Alten an der Schläfe traf und ihm eine klaffende Wunde beibrachte. Benommen sank Angus von dem Felsen, auf dem er gekauert hatte, und fiel bäuchlings in den Morast, wo er reglos liegen blieb. San Guijuelas Zorn jedoch war noch keineswegs besänftigt. Wie ein Derwisch tanzte er um den abgemagerten Körper des alten Mannes herum und lachte wie von Sinnen, während er wieder und wieder auf ihn einschlug.
    Tränen des Zorns und der Verzweiflung schossen Nick in die Augen. In seiner Not blickte er zu Nobody Jim und Unquatl, die vor Entsetzen wie angewurzelt dastanden und auf das grausame Schauspiel starrten. Ihre Fäuste waren geballt, dieGesichter vor Abscheu verzerrt – und im nächsten Augenblick wollte Jim seine Last fallen lassen, um dem alten Angus zu Hilfe zu kommen.
    »Denk nicht mal dran, schwarzer Bastard!«, herrschte San Guijuela ihn an, der ihn aus dem Augenwinkel beobachtet hatte. »Oder willst du eine Kugel abbekommen?«
    Der Aufseher hatte die Peitsche sinken lassen und seine Pistole gezogen; nun richtete er sie auf Jim, der daraufhin erstarrte. Unwilliges Gemurmel setzte unter den Sklaven ein, eine Revolte lag in der Luft. Nick konnte die Nervosität seiner Bewacher spüren. Ihre Aufmerksamkeit ließ nach – und in einem jähen Ausbruch von Wut und Kraft gelang es ihm, sich von ihnen loszureißen. Mit ausgreifenden Schritten stürzte er auf San Guijuela zu, ungeachtet der schussbereiten Pistole.
    »Al diablo!« , rief der Spanier aus, als er Nick mit geballten Fäusten auf sich zukommen sah, das Gesicht hassverzerrt. Er hob die Waffe, um zu feuern, aber schon war Nick bei ihm und umfing sein Handgelenk mit eisernem Griff.
    Der Aufseher wollte mit der Peitsche zuschlagen, aber Nicks Faust traf ihn mit vernichtender Wucht, und er geriet auf dem schmalen Pfad ins Wanken. In seiner Raserei dachte Nick nicht nach, ehe er ein zweites Mal zuschlug. Sein ganzer Zorn, sein Hass und seine Verzweiflung entluden sich in einem furchtbaren Fausthieb, der den Spanier mitten ins Gesicht traf und ihn von dem schmalen Bergpfad fegte.
    Ein entsetzter Schrei entrang sich Blutegels Kehle; schlagartig schien ihm klar zu werden, dass ihn nun selbst das Schicksal ereilte, das er so vielen Sklaven hatte zukommen lassen. Noch im Fallen betätigte er den Abzug seiner Waffe. Das Steinschloss schnappte zu, und mit lautem Knall jagte die Kugel aus dem Lauf, verpuffte jedoch wirkungslos irgendwo im grünen Blätterdach.Dann hatte der Abgrund ihn erfasst, und mit einem gellenden Schrei auf den Lippen stürzte San Guijuela in die Tiefe.
    Nick, der an den Rand des Pfades geeilt war, blickte ihm atemlos hinterher, sah ihn zwischen schroffen Felsen und dichtem Blattgrün verschwinden. Er empfand weder Genugtuung noch Triumph über den Tod des Mannes, der den Sklaven von Maracaibo die Hölle auf Erden bereitet hatte – seine einzige Sorge galt seinem Vater.
    Er wandte sich um und wollte nach ihm sehen, als ihn gleich einem Blitzschlag aus heiterem Himmel etwas traf. Es war der hölzerne Knüppel eines Aufsehers, der mit vernichtender Wucht niederging und an seinem Hinterkopf explodierte. Für einen Augenblick fühlte Nick nichts als Schmerz. Er sah seinen Vater am Boden liegen, sah Jim und Unquatl, die ihn entsetzt ansahen – dann trübte sich sein Blick, und er sank benommen nieder.
    Ein zweiter Hieb traf ihn, und es wurde dunkel.
     
     
     
    Das Erste, was Nick wahrnahm, als er aus dem zähen Schlaf der Ohnmacht erwachte, war das Dröhnen in seinem Kopf. Dann gesellte sich der beißende Gestank von Moder und Fäulnis hinzu, und irgendwo in weiter Ferne hörte Nick Wasser tropfen. Ein Stöhnen entrang sich seiner Kehle, und er schlug blinzelnd die Augen auf – um überrascht festzustellen, dass er nicht mehr auf dem Todespfad lag.
    Stattdessen fand er sich in einem niederen, steingemauerten Gewölbe wieder, von dessen Decke klamme Moosfetzen hingen und an dessen raue Wand er geschmiedet war. Auf dem feuchten Steinboden sitzend, lehnte Nick an der Wand, die Handgelenke in eisernen Fesseln. Die Vorderseite des Gewölbes

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