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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Bucht breitete sich vor den Männern aus, deren heller Sand die an das Dunkel des Dschungels gewohnten Augen blendete. Nick und Jim blinzelten ins Sonnenlicht, das sich im glitzernd blauen Wasser brach. In gleichmäßigem Rhythmus brandeten Wellen ans Ufer und versickerten im Sand; dahinter erstreckte sich der endlos weite Horizont. Die Freiheit, von der Nick so oft geträumt hatte, war greifbar nahe – vorausgesetzt, die Bukaniere brachten sie nicht nach Maracaibo zurück.
    Inmitten der Bucht lag ein Schiff vor Anker – kein stolzer Dreimaster, sondern eine zweimastige Brigantine, die ohne Frage schon bessere Zeiten gesehen hatte. Die Segel waren gerefft, sodass man auf das tief liegende Deck blicken konnte, das mit allerlei Unrat voll gestopft war. Das Schiff hatte leichte Schlagseite, und der Rumpf und die Back waren an einigen Stellen beschädigt. Dunkler Rauch stieg vom Kajütdeck in den Himmel, derauf erhitzten Teer schließen ließ – man war dabei, lecke Stellen zu kalfatern. Nick vermutete, dass das Schiff unter Beschuss geraten und nur mit knapper Not entkommen war, und er rief sich all das ins Gedächtnis, was ihm der alte Angus über die Seefahrt beigebracht hatte.
    »Aye, Lads, was sagt ihr nun?«, erkundigte sich McCabe nicht ohne Stolz. »Das ist die Seadragon .«
    »Mit diesem Schiff seid ihr gekommen?«, erkundigte sich Nick zweifelnd.
    »Allerdings.«
    »Dann wundert es mich, dass ihr nicht abgesoffen seid«, versetzte er. »Das Schiff ist in keinem besonders guten Zustand.«
    »Nun hör sich einer diese verdammte Landratte an«, wetterte McCabe. »Kaum haben wir ihn aus dem Alligatorennest befreit, reißt er schon das Maul auf. Du kannst froh sein, wenn wir dich nicht über die Planke schicken.«
    »Das könntet ihr wohl tun«, konterte Nick, der eine Gelegenheit witterte, die drohende Rückkehr nach Maracaibo zu verhindern, »aber dann hättet ihr niemanden mehr, der euren Kahn wieder flottmacht.«
    »Nun hört euch das an! Verstehst du denn etwas davon?«
    »Allerdings. Ich war Seemann, ehe ich in die Gefangenschaft der Spanier geriet.«
    »Was du nicht sagst, Matey.« Der Schotte bedachte ihn mit prüfendem Blick, während Jim ihn zweifelnd anstarrte. Der Afrikaner wusste nur zu gut, was es mit Nicks angeblicher Zeit als Seemann auf sich hatte, aber er hütete sich zu widersprechen.
    »Euer Schiff hat Schlagseite«, stellte Nick fest. »Es muss gelenzt und neu austariert werden, sonst werdet ihr das nächste Mal nicht mehr davonkommen, wenn euch ein Spanier ins Visier nimmt.«
    »Woher weißt du, dass es ein Spanier war?«, erkundigte sich McCabe verblüfft.
    »Die Einschüsse in der Back. Nur spanische Kartätschen reißen solch hässliche Löcher.«
    »Du verstehst wirklich was davon, was?« McCabe nahm die Mütze ab und kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. »Wir wollen sehen. Der Captain wird entscheiden, was mit euch geschehen soll. Vielleicht könnt ihr uns ja tatsächlich von Nutzen sein …«
    Er setzte die Mütze wieder auf und stapfte durch den Sand auf die Schaluppe zu, die am Strand lag und mit zwei Wasserfässern beladen war. Nick und Jim folgten ihm, den Griechen und den Chinesen im Rücken.
    »Bist du verrückt?«, raunte Jim seinem Freund kaum hörbar zu. »Die werfen uns den Haien zum Fraß vor, wenn sie erfahren, dass du nur Planken geschrubbt und Kartoffeln geschält hast.«
    »Ich werde es ihnen ganz sicher nicht sagen«, erwiderte Nick gelassen, »und du hältst auch die Klappe. Lass mich nur machen, ich weiß schon, was ich tue.«
    »Das hoffe ich sehr, Matey«, knurrte Jim. »Ich hoffe es sehr …«
    Sie erreichten das Boot, luden die Säcke mit dem Fleisch hinein und halfen dann, es ins Wasser zu schieben. Die hohen Wellen ließen die Schaluppe auf und nieder wippen wie einen Korken. Dann hatte sie die Brandung überwunden, und mit kräftigen Ruderschlägen trieben der Grieche und der Chinese das Boot auf die Seadragon zu.
    Je näher sie der Brigantine kamen, desto deutlicher wurde, in welch schlechtem Zustand sie sich tatsächlich befand. Nicht nur, dass sie in ein Gefecht verwickelt gewesen war – der Kapitän hatte es auch sträflich versäumt, sein Schiff in Schuss zu halten.Morsche Planken und klaffende Fugen waren allenthalben zu sehen, und Nick sagte sich, dass diese Bukaniere wohl keine Meister ihres Gewerbes waren.
    An Bord konnte er noch mehr abgerissene Gestalten erkennen, die ihrer Arbeit nachgingen, ein wild zusammengewürfelter Haufen von

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