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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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von Höhlen und Spalten durchsetzten Klippen, die den Strand säumten, richteten sich die Männer nun häuslich ein.
    Nick selbst hatte eine kleine Höhle bezogen, die ein Stück oberhalb der Bucht lag – von hier aus konnte er den gesamten Strand überblicken, der auf der einen Seite von glasklarem Wasser und auf der anderen von buschigen Palmen begrenzt wurde. Nicks Lager bestand aus einer Hängematte und einem seidenen Kissen, das von der Santa Esmeralda stammte – eine fürstliche Bettstatt, wenn er an seinen Schlafplatz im Sklavendorf dachte. Aber so luxuriös sein Lager auch sein mochte, er fand darauf keine Ruhe.
    Obwohl seit der Flucht aus Maracaibo so vieles geschehen war, obwohl sich Nick vom entlaufenen Sklaven zum Seeräuber gewandelt hatte und nun sogar zum Kapitän aufgestiegen war, verfolgte ihn seine Vergangenheit. Ständig musste er an den alten Angus denken und fragte sich, warum sein Ziehvater ihm in all den Jahren nie etwas über seine wahre Herkunft erzählt hatte. Hatte Angus tatsächlich nichts davon gewusst? Hatte er Gründe gehabt zu schweigen? Nick wünschte sich sehnlichst, ihm noch einmal gegenüberzutreten und ihn all dies fragen zu können. Er wollte Gewissheit darüber, wer er wirklich war.
    »Bin ich der Sohn eines einfachen Seemanns, der zum Sklaven wurde?«, fragte er sich grübelnd. »Oder bin ich der Sohn eines Lords, der zum Piraten wurde?«
    Beide Überlegungen schienen ihm fremd und vertraut zugleich, und Nick verbrachte die Tage damit, grübelnd vor seiner Höhle zu sitzen und Ordnung in das Chaos zu bringen, das in ihm herrschte. Der Traum, der ihn verfolgt hatte, solange er zurückdenken konnte, plagte ihn nicht mehr. Von dem Tag an, als Jim und er auf die Bukaniere getroffen waren, waren die Bilder in seinem Kopf verschwunden. War das ein Zeichen?
    Nick musste an Unquatl denken, der in vielem, was geschah, ein Zeichen übernatürlichen Wirkens gesehen hatte. Pater O’Rorke hätte es vermutlich anders ausgedrückt, aber auch er glaubte an ein göttliches Schicksal, das die Menschen lenkte.
    »Woran glaube ich …?«
    Nicks müder Geist nagte förmlich an der Frage, ob es Schicksal war oder reiner Zufall, der ihn zu den Bukanieren geführt hatte. Unablässig rätselte er darüber, wer er wirklich war. Schließlich, am Morgen des dritten Tages, wurde ihm klar, dass er die Antwort auf diese Frage nicht bei sich selbst finden konnte. Er musste versuchen, seinen Weg zu finden und seinem Stern zu folgen, wie der alte Angus es ausgedrückt hatte. Nur so würde er erfahren, was in ihm steckte und wessen Erbe er war – der eines Lords oder der eines Sklaven. Und noch während ihm dies klar wurde, reifte ein Plan in seinem Hinterkopf. Ein Plan, der an Kühnheit alles übertraf und gegen den sich der Überfall auf die Santa Esmeralda wie ein harmloses Kinderspiel ausnahm. Ein Plan, der die Bukaniere berühmt machen würde – und ebenso berüchtigt …
    Entschlossen verließ Nick seine Höhle und stieg hinab zum Strand, wo Jim und einige andere damit beschäftigt waren, diebeiden Beiboote der Seadragon zu kalfatern, während McCabe im Schatten eines gespannten Segeltuchs Seekarten studierte. Der Rest der Mannschaft war beim Fischen, um für das Nachtmahl zu sorgen; selbst Pater O’Rorke stand bis zu den Knien im Wasser und versuchte sich als Petrijünger.
    Als McCabe Nick kommen sah, setzte er ein breites Grinsen auf. »Da bist du ja endlich, Käpt’n. Dachte schon, wir müssten dich mit Gewalt aus deinem Loch holen.«
    »Keine Sorge«, versicherte Nick, »ich bin hier – und ich habe einen neuen Plan. Ruf die Männer zusammen, McCabe. Wir haben etwas zu bereden.«
    »Aye, Sir«, gab der Maat zurück und läutete die Glocke, worauf die Bukaniere aus allen Himmelsrichtungen zusammenliefen, um sich am Strand zu versammeln. Auch Pater O’Rorke, der sich sonst eher abseits hielt, gesellte sich dazu, ebenso wie Cutlass Joe, der in den letzten Tagen kaum ein Wort gesprochen hatte und noch immer an seiner Absetzung nagte.
    Das Rauschen der Brandung drang laut und mächtig zu ihnen herüber. Damit alle ihn hören konnten, stieg Nick auf ein leeres Rumfass.
    »Wie geht es euch?«, fragte er.
    Entblößte Zähne allenthalben – nach der Kaperung der Santa Esmeralda lebten die Bukaniere wie die Maden im Speck.
    »Wollt ihr, dass es so bleibt?«, fragte Nick. »Wollt ihr noch mehr Rum?«
    »Ja!«, scholl es dutzendfach zurück.
    »Noch mehr Fleisch?«
    »Ja!«
    »Silber?«
    »Jaaa!« Die

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