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Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Emerson
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hoch. Wollte sie uns etwas sagen?
    »Lilly, warte mal.« Ich versuchte zu erkennen, was sich hinter Annas Kopf zwischen all dem Plastik verbarg, dann zog ich den Kopf aus dem Zelt und entdeckte das dicke Stromkabel, das dort zu einer Steckdose führte. »Lilly, ich glaube, sie will, dass wir es abschalten.«
    »Was?«, brachte Lilly schluchzend hervor, während sie mit blutverschmierten Händen die einzelnen Drähte entwirrte.
    »Die Maschinen. Sie will, dass wir sie abschalten.«
    Lilly machte einfach weiter, und ich war mir erst nicht sicher, ob sie mich gehört hatte. Dann hielt sie inne. Es schien sie eine Menge Kraft zu kosten, Anna in die Augen zu sehen. Als sie es dann tat, musste sie wieder weinen. »Den Stecker? Sollten wir erst den Stecker ziehen, bevor ich die hier entferne? Tut es dann weniger weh?«
    Annas Augen füllten sich mit Tränen, dann nickte sie.
    »Okay, okay, und dann holen wir dich hier raus.« Sie griff nach dem Stecker, doch ich packte sie am Arm.
    »Hey«, sagte ich leise. »Ich … ich glaube, sie will nicht, dass wir sie rausholen.« Zumindest wirkte es so auf mich. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es mir an ihrer Stelle ginge – wenn man das mit mir getan hätte. Und wir konnten sie auch schlecht einfach wegtragen in ihrem Zustand.
    »Wovon redest du?« Lilly schrak vor meiner Berührung zurück.
    »Jetzt warte doch.« Ich trat vor sie und fasste sie bei den Schultern. »Ich glaube, wenn wir den Stecker ziehen, wird sie sterben.«
    »Sie …« Lilly schüttelte abwehrend den Kopf, als wollte sie den Gedanken nicht zulassen. »Aber wir können sie doch nicht einfach, ich meine, wir müssen …«
    »Lilly. Schau sie dir doch an.«
    Lilly zögerte kurz, dann folgte sie meinem Blick. »Ist es das, was du willst?«, flüsterte sie.
    Anna nickte kurz – eine schwache Bewegung des Kopfs zwischen all den Schläuchen. Mehr Tränen, doch auch etwas wie Erleichterung in ihren Augen.
    »Oh Gott«, schluchzte Lilly und wollte wieder zurückweichen. »Ich kann das nicht.«
    Da nahm ich sie bei den Schultern und führte sie zu Anna. Ich wusste, was ich zu tun hatte – doch ich hasste den Gedanken. »Bleib du bei ihr.«
    Lilly stand wie festgefroren, völlig gebrochen. Dann nickte sie. Sie griff ins Zelt und legte eine Hand unter Annas Kopf. Mit dem Daumen der anderen wischte sie ihr die Tränen von der Wange. »Alles wird gut«, flüsterte sie erstickt. »Hörst du? In einer Minute wird alles gut …«
    Ich ging zur Wand und griff nach dem Stecker. Er saß ziemlich fest. Dann hielt ich die Luft an und zog mit aller Kraft.
    Die Maschinen um Anna wurden dunkel. Das Summen verebbte. Annas Atem verklang.
    »Ich bin bei dir«, flüsterte Lilly.
    Ich wollte zu Lilly, wollte sie halten oder etwas in der Art, fand aber, dass ich ihr diesen letzten Moment mit Anna nicht nehmen sollte. Außerdem wollte ich sie nicht noch einmal so sehen.
    Ich atmete tief durch. Jetzt wusste ich, wozu Paul, Eden, ja selbst Dr. Maria fähig waren. Das also war es gewesen, wofür sie sich oben auf dem Berg entschuldigt hatte.
    Ich ließ den Blick durch das düstere, unterirdische Labor schweifen, diesen bösen Zwillingsbruder des Tempels. Das hier war das Herz von Eden West, unter dem fröhlichen Lager mit seinem künstlichen Himmel und den SafeSun-Leuchten – eine Kammer voller Blut und Leid und Tod. Hier hatten sie danach gesucht, was in mir verborgen war. Ich fuhr mir mit der Hand über die Brust und stellte mir vor, wie man mir die Rippen aufsägte, das Gewebe auseinanderriss und kalte Luft an meine schutzlosen Organe drang … Genau das würde Paul auch mit mir machen, wenn er es für nötig hielt. Ohne zu zögern.
    Trotzdem war die Vorstellung, dass jemand ein Mädchen aufschnitt, um Schläuche in ihre Eingeweide zu stecken, als wäre sie bloß eine Art Maschine, unerträglich.
    Benommen ging ich zum nächsten der unter Zelten verborgenen Tische. Auch auf ihm waren die Umrisse eines Körpers zu erkennen. Durchs Fenster sah ich einen kleinen Jungen, den ich nicht kannte. Vermutlich eins der verschwundenen Kinder, die die anderen erwähnt hatten. Das also war aus ihnen geworden: aufgeschnitten, um sie zu erforschen – alles im Dienste der Wissenschaft. Lilly und Evan hatten erzählt, dass man früher Mäuse mit Ohren auf dem Rücken züchtete und sogar Menschen klonte. Nichts hatte sich geändert: Es war bloß in den Untergrund abgewandert, immer dem Geld nach. Und jeder wusste, über wie viel Geld die Eden

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