Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Kupferbeschlägen.
»Nein, nein, nein, oh Gott, nein …« Die Stimme ist irgendwo hinter mir. In der Wirklichkeit.
Hör nicht hin. Lük tritt neben mich. Vor ihm liegt ein ganz ähnliches Schiff – und die Reihe setzt sich in beide Richtungen immer weiter fort, lauter junge Menschen, alle in meinem Alter. Bleib lieber hier und schau dir das an.
Sind wir wieder im Schädel? , frage ich.
Nein. Wir sind in deinem Kopf, in unserem gemeinsamen Gedächtnis.
Ich schaue mir wieder das Schiff vor mir an. Es sieht aus wie das im Tempel: ein einzelner Mast und ein Gerüst aus gebogenen Stäben, darunter das dreieckige Metallgebilde mit dem ovalen Topf.
»Ist ja gut. Alles wird gut …«
Legt ab! , ruft eine Stimme hinter uns. Da steht ein Lehrer in kastanienbrauner Robe, groß und kahlköpfig, mit einem verschlungenen Muster schwarzer Tätowierungen im Ge sicht, die ihm eher das Aussehen eines Kriegers verleihen.
Hinter ihm steigen steinerne Gebäude bis zur Stadt an – unserer Stadt. Der Himmel ist blau. Wir befinden uns in einer Zeit vor der Asche und der Dunkelheit. Im hellen Tageslicht sieht man die glänzenden Mosaiken auf den Wänden, die Kupferrahmen an Fenstern und Dächern, die strahlenden, goldglänzenden Obelisken und Kuppeln, die Brücken zwischen den Türmen, die weißen Kugeln aus Licht, die auf der höchsten Stufe der zentralen Pyramide brennen.
Ich zeige dir, wie’s geht, sagt Lük. Er setzt einen Fuß an Bord und stößt sich mit dem anderen ab. Ich folge seinem Beispiel, so wie alle anderen. Das Schiff schaukelt ein bisschen, doch ich halte mein Gleichgewicht, und mit einem knirschenden Seufzer löst es sich vom Strand und schaukelt auf den Wellen.
Wie steht der Wind? , fragt Lük.
Ich weiß es, spüre es. Er weht von rechts – ein westlicher Wind. Etwa zehn Knoten?
Genau. Also setze ein Segel an Backbord.
Okay. Ich klappe den Sitz zu meiner Linken auf und entnehme ihm ein zusammengerolltes Bündel. Ich finde die Ecken mit den Kupferringen, dann suche ich in der Truhe nach den Leinen. Sie sind glatt und elastisch, aus Seide gewebt. Mit Ankersteks mache ich die drei Ecken des Segels an den Verbindungsstellen von Stäben und Mast fest. Meine Finger arbeiten, ohne dass ich darüber nachdenke, dann bläht sich das Segel, und wir schießen davon.
»Bleib bei mir, bleib bitte einfach, okay? Bitte bleib …«
Steuern kannst du mit dem Pedal! Lük zieht an mir vorbei. Suchend schaue ich mich um und entdecke eine Holzplanke auf einem metallischen Drehgelenk. Indem man die Planke links oder rechts nach unten drückt, spricht man das Ruder an. Ich drehe das Schiff, um besser zum Wind zu liegen.
Wir brauchen genug Geschwindigkeit für die Wärmezelle , sagt Lük.
Welche Wärmezelle?
Dieser Tontopf – er bezieht seine Ladung aus Turbinen. Schau mal zur Seite.
Ich folge seinem Blick und sehe unter den Wellen verschwommen wirbelndes Metall; eine Art kleines Rad ist dort seitlich am Schiff angebracht.
Wir sind fast so weit. Jetzt setz das Thermalsegel! Ich sehe, wie sich Lük und die anderen auf dem Wasser verteilen und große Stoffe aufspannen. Bei einem Schiff bläht er sich schon auf und bildet einen runden Ballon über dem Schiff.
Ich klappe den anderen Sitz auf und entnehme ihm ein großes Bündel. Nach kurzem Suchen habe ich die dreieckige Öffnung gefunden – diese muss über der kleinen Kupferdüse am Tontopf befestigt werden.
»Bitte, bitte …«
Lillys Stimme ist einfach zu mächtig. Selbst wenn ich wollte, kann ich sie nicht länger ignorieren. Die anderen Schiffe beginnen aus dem Wasser aufzusteigen und zu fliegen, doch das Bild verblasst schon.
Owen! , ruft Lük. Im hellen Sonnenschein schaut er zu mir herab, doch dann wird alles weiß und blau. Bleib da und lerne!
Ich kann jetzt nicht , sage ich.
Ich muss gehen. Ich muss zurück und mich dem stellen, was ich gesehen habe.
23
»Komm schon, halt einfach durch, ich hol’ dich hier raus, versprochen!«
Ich blinzelte. Ich befand mich wieder in dem kreisrunden Labor. Ringsum standen metallische Untersuchungstische auf Rollen an der Wand. Fünf Stück insgesamt. Über jedem war ein Plastikzelt gespannt, das von den Ecken der Tische bis zur Decke reichte. Die Luft roch nach starken Chemikalien, Alkohol und Ammoniak, die mir in der Nase stachen.
In der Mitte des Raums standen drei weitere Tische in aufrechter Position, dazwischen ein kleiner runder Tisch, auf dem eine alte braune Jacke lag. Drei dicke, durchsichtige Kabel
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