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Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Emerson
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dachten schon, du wärst tot«, sagte Jalen und klang irgendwie enttäuscht dabei.
    Ich wollte etwas erwidern, aber was? Leech war der unangefochtene Herrscher hier, daran führte kein Weg vorbei. Schon als wir hier ankamen, uns die Betten aussuchten und unsere Koffer darunter verstauten, war Leechs Hochbett bereits mit Postern, Fotos und Kritzeleien verziert gewesen, und seine Sachen lagen alle schon im Regal. Er trug noch das bunte T-Shirt vom letzten Camp mit allen Unterschriften, sogar der Betreuer, um seinen kö niglichen Status zu unterstreichen. Er kannte alle Mitarbeiter beim Namen, und sie kannten ihn. Selbst das Küchenpersonal grüßte ihn mit Handschlag.
    Gestern Abend, beim ersten gemeinsamen Essen, hatte er seine dummen Spitznamen verteilt. Ich hatte gerade zum ersten Mal Nudeln aus echtem Hartweizengrieß ge gessen, außerdem eine blättrige Pflanze namens Spinat, die grüner war als alles, was ich je gesehen hatte, leicht bitter schmeckte und nach nassen Felsen roch. Noch während der Begrüßungsansprachen legte Leech auf einmal los.
    »Wie wäre es denn …« Er kratzte sich mit Zeigefinger und Daumen am Kinn, ein Wissenschaftler bei der Arbeit. Jalen und seine anderen jungen Lakaien steckten schon die Köpfe zusammen. »Jaah, ich hab’s!«, rief er und zeigte dramatisch auf die beiden Jungen am anderen Ende des Tischs. »Beaker und Bunsen.« Die Meute lachte, auch wenn ich bezweifelte, dass irgendwer von ihnen den Witz verstand – mir jedenfalls sagten die Namen nichts. »Wen haben wir noch?« Er ließ kritisch den Blick umherschweifen, dann fiel er auf mich. Er nickte und grinste. »Die Schildkröte«, sagte er. Wieder Gekicher.
    »Was?«, fragte ich, denn ich wusste nicht mal, was er meinte; ich zumindest fand mich selbst nicht sonderlich schildkrötenhaft. Zumindest hatte ich kein Übergewicht, und so überlegte ich, ob es vielleicht was damit zu tun hatte, dass sich die Schildkröten in Yellowstone Löcher gruben und ich ja auch unter der Erde lebte.
    »Schildkröte!«, schnappte er, als ich es wagte, seine Entscheidung infrage zu stellen, und seine Mundwinkel senkten sich bedrohlich. »Das bist du.«
    Seine Inspiration stellte sich als noch dümmer heraus, als ich dachte. Irgendwann kapierte ich, dass er mich wegen meines Rollkragenpullis so nannte, den ich an dem Abend getragen hatte. Dabei war es nur ein ganz normaler Pulli gegen die Strahlung, wie ihn fast alle im Hub trugen. Keiner dort fühlte sich durch den Kragen je an eine Schildkröte erinnert – der Pulli gehörte sogar zu meiner Schuluniform.
    Der Grund aber, warum Leech auf so komische Sachen kam, war, dass er ein Kryo war. Seine Eltern hatten ihn während der Großen Flut eingefroren und sicher in Eden West deponiert. Um selbst einzuziehen, hatten sie kein Geld mehr gehabt. Nachdem sich die Lage etwas beruhigt hatte, waren die Kryos dann nach und nach aus dem Kälteschlaf geweckt worden. Er und die anderen wohnten im Kryo-Haus, einer Art Pflegeheim in Eden West City. Die Kryos durften immer ins Camp. Die übrigen Kinder schienen einfach die Enkel der Gründer von Eden West zu sein, für die das Sommerlager nur eine weitere Seite ihres Lebens im Luxus war. Nicht, dass ich es ihnen vorwerfen würde. Sie konnten ja nichts dafür, hier geboren zu sein. Wahrscheinlich wussten sie gar nicht, wie es außerhalb der Kuppel aussah, wo die Sonne ein ständiger Feind war und man keine Ahnung hatte, wie Spinat schmeckte.
    So verbrachte ich mein erstes Abendessen schweigend und dachte: Na toll, noch neunundzwanzig Tage, und man hat mich schon in eine Schublade gesteckt. Und im Lauf des Essens wurde es nur noch schlimmer. Solange Todd nichts von mir wollte, sagte ich kein Wort und verfolgte, wie die anderen um mich Freundschaften schlossen und zueinander fanden, bloß ich blieb übrig, ein vergessener Satellit in der Umlaufbahn. Schon in der Schule war es mir oft so ergangen, und ich hatte nie kapiert, wieso – oder welcher Zaubertrick einen zum Teil einer Gruppe machte. Wie so häufig schien der Zug für mich schon abgefahren, bevor es überhaupt richtig losging.
    Wir waren zu zehnt in der Hütte: Leech, Jalen und Xane waren Kryos. Mike, Carl, Wesley, Beaker und Bunsen wohn ten mit ihren Familien in Eden West. Noah und ich waren die Außenseiter. Er kam aus Dallas Beach, von der texanischen Küste. Dort schien die Lage ähnlich wie im Hub zu sein: eine kleine Satellitenstadt der AKF , was im Prinzip bedeutete, dass sie abgesehen von den

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