Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Emerson
Vom Netzwerk:
auf, nahm ihre Hand und vermied dabei Evans Blick. Dann sprangen wir hoch in die Luft und schossen gemeinsam in die Tiefe.
    Es war eine Erleichterung, wieder im Wasser zu sein. Die Umarmung der Kälte und der Dunkelheit ließ mich meine eigene Haut vergessen, als wäre ich nichts als geballte Energie in meinem ureigensten Medium, eins mit der Welt um mich herum. Ich ließ die Luft aus meinen Lungen strömen, ein Aufruhr kleiner Blasen überall, dann spannte ich meinen Hals an und fühlte meine Kiemen sich öffnen wie Fenster, die ihre Jalousien hochzogen, sodass frische Luft ihre Vorhänge blähte.
    Wir sanken immer tiefer in die Kälte, bis die Dunkelheit uns die Sicht nahm und wir in sanftem Bogen wieder aufstiegen in jene Welt der Schemen, die das Mondlicht noch mit letzter Kraft erreichte. Etwa fünf Meter unter der Oberfläche taten auch unsere empfindlichen Ohren nicht mehr so weh. Mein Beinschlag war genau wie beim Schmetterlingsstil, nur dass ich mich unter Wasser sehr viel geschickter anstellte. Mein ganzer Körper schien zu einer einzigen Welle zu werden. Es war ganz anders, als man dachte; alle Muskeln waren entspannt, denn es gab nichts, wogegen sie kämpfen mussten.
    Ich näherte mich Lilly, doch sie schoss nach links und schwamm einen Bogen, wobei sie ihr Haar wie einen Schweif hinter sich herzog. Ich wirbelte herum und gab mir Mühe mitzuhalten, lauschte auf das Kribbeln und Zirpen ihres seltsamen Fischgelächters.
    Dann war sie auf einmal verschwunden.
    Ich schaute mich um. Versuchte, im Dunkeln etwas zu erkennen. Weit hinter mir schwebten Marco und Aliah in einem Durcheinander ihrer Arme und Beine unter dem Floß.
    Dann packten mich plötzlich Arme um den Bauch. ›Hab ich dich!‹ Mein Körper schmiegte sich an Lillys. Es durchfuhr mich wie ein elektrischer Schlag. Genauso schnell stieß sie mich wieder von sich und schwamm wieder voraus. ›Das Wrack ist da hinten‹, sagte sie.
    Ich nickte, folgte ihr und gab mein Bestes, nicht zurückzubleiben. Sie war schnell, doch ich war auch schnell geworden, mit jeder Stunde, jeder Nacht im Wasser.
    Als das Floß hinter uns zurückblieb, verloren wir auch jeden Kontakt zur Welt dort oben. Da war nur Schwärze in allen Richtungen und Lillys fließender Körper. Ich drehte mich beim Schwimmen auf den Rücken und spähte durch die gläsern schimmernde Oberfläche, sah die Projektion von Mond und Sternenhimmel, die hier und da von der geodätischen Struktur der Kuppel gebrochen wurde.
    Ich dachte daran, was Lilly gesagt hatte: Wenn wir wirk lich eine neue Spezies waren, dann stünden uns Tausende Meilen von Ozean offen. Natürlich gab es tote Zonen, Abfallwirbel, Algenfelder und den Schlick aus Öl und Plastik, der die meisten Küsten unbenutzbar machte … Doch der Ozean war riesig. Wir könnten unter diesen Bereichen hindurchtauchen, bis wir sauberes Wasser fanden, und die Weltmeere nach der perfekten Inselgruppe absuchen, wo das Wasser noch blau, die Korallen farbenfroh und die Fische die Geschöpfe eines fantasievolleren Gottes als jener düsteren Vernichter waren, die heutzutage unsere Geschicke zu bestimmen schienen. Dort könnten Lilly und ich ganz von vorne beginnen – vielleicht sogar eine kleine Kiemenfamilie gründen.
    ›Hey, du Traumtänzer, hier drüben.‹ Sie war scharf abgebogen und nun wieder hinter mir.
    Ich schloss zu ihr auf und sah den Grund des Sees zum Ufer hin ansteigen. Lilly stand schon. Ich gesellte mich zu ihr und tauchte aus der Umarmung des Wassers in die strenge Nachtluft auf. Zitternd zwang ich meine Lungen, wieder ihre Arbeit aufzunehmen.
    »Wo ist das Wrack?«, fragte ich sie, während wir an Land wateten, auf eine undurchdringlich scheinende schwarze Wand aus Nadelbäumen zu.
    »Ganz in der Nähe, aber wir brauchen erst Licht.«
    Ich folgte ihr in den Wald und zuckte zusammen, denn der Boden war nicht sehr einladend: Kiefernadeln, Wurzeln und Steinspitzen stachen mir in die Füße.
    »Da hinten haben wir ein paar Sachen deponiert, falls wir mal länger unterwegs sind.« Vor uns lag ein umgestürzter Baum, dessen Wurzeln den Waldboden wie eine Hautschicht mit herausgerissen hatten. Lilly bückte sich und zog ächzend eine rote Tasche aus glattem, wasserabweisendem Material unter dem Stamm hervor. Dann öffnete sie ein paar Schnallen und entnahm ihr eine unförmige, gelbe Taschenlampe. Auf einen Druck ihres Fingers hin erwachte ein weißer Lichtkegel zum Leben. »Wasserdicht.«
    »Cool.«
    Sie verstaute die Tasche wieder.

Weitere Kostenlose Bücher