Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
treffen wir uns am Mast. Ich könnte dich begleiten.«
Da gab seine Uhr ein Piepsen von sich, und er senkte den Blick. »Schätze, das müssen wir verschieben.«
»Was ist los?« Eigentlich rechnete ich nicht damit, dass er es mir sagte.
»Der Vorstand will mich sprechen. Nun, das kommt zwar etwas überraschend, aber wir wollen sie ja nicht warten lassen.«
Wieder suchte ich vergeblich nach irgendwas in Pauls Gesicht, das seine wahren Gefühle verriet: Meinte er das angesichts der Lautstärke seiner letzten Unterhaltung mit dem Vorstand jetzt ernst oder sarkastisch? Meine Neugierde schien ihm nicht zu entgehen, denn er neigte vertraulich den Kopf zu mir. »Es sei denn natürlich, dir liegt etwas auf der Seele – dann könnte ich sie schon noch etwas warten lassen …«
Ich wollte aber nur so schnell wie möglich den Steg verlassen, einfach bloß weg von ihm. »Nein, schon in Ordnung. Und danke fürs Mitnehmen. Tut mir leid, dass ich mich da draußen rumgetrieben habe.«
»Wie gesagt – ich bin immer für dich da.« Ich spürte, wie sein Blick sich noch in meinen Rücken bohrte, während ich schon am Bootshaus vorbei zum Strand lief, wo ich gestern Nacht meine Kleider gelassen hatte. Sie waren nicht mehr da. Wahrscheinlich hatte irgendwer sie beim Eisbärschwimmen gefunden und im Fundbüro abgegeben.
Mein Blick ging wieder aufs Wasser hinaus. Was hatte ich da eben noch überlegt? Irgendwas mit den Windrichtungen beim Segeln. Ich war aber noch nie gesegelt und bis eben nie auch nur in einem Boot gesessen. Dennoch erregten die Wellenmuster auf dem Wasser meine Aufmerksamkeit. Südöstlich, ganz bestimmt. Schon wieder diese Gedanken – woher kamen die nur? Und irgendwie ging es mir auch komisch – eigentlich die ganze Zeit schon, seit ich im See wieder zu mir gekommen war. Nicht besser oder schlechter, bloß … anders, so als funktionierte zwar alles in mir, bloß mit neuer Software. Böen bis zu acht Knoten …
Da hörte ich auf einmal Gekicher. Ohne es zu merken, war ich am Rand des Sportplatzes stehen geblieben. Aus dem Wald kamen gerade die Polarfüchse, eine Armee von Pferdeschwänzen, Sweatshirts und Flipflops, und ich stand da wie ausgestellt in meiner Badehose, dürr und klapprig. Nur dass ich gar nicht mehr so dürr war, stellte ich fest; sah man da tatsächlich die Andeutung von Muskeln an Brust und Schultern? Nächtelanges Schwimmen, das viele Essen im Camp … Wahrscheinlich bildete ich es mir aber nur ein.
»Hey, Owen.« Mina und ein anderes Mädchen blieben etwas zurück und schauten zu mir rüber.
»Hi«, sagte ich. Wahrscheinlich hätte ich noch mehr sagen sollen, aber was? Mina war nun stehen geblieben und trat von einem Bein aufs andere. Moment mal, war sie etwa nervös? Wegen mir ?
»Warst du beim Eisbärschwimmen?«, fragte sie.
»Ja klar«, antwortete ich. »War ganz schön kalt«, fügte ich hinzu.
»Gehst du morgen früh wieder?« Ihre Freundin musste kichern. Mina biss sich auf die Lippe.
»Hm, vielleicht.«
»Na, dann sehen wir uns morgen?«
»Okay«, meinte ich und dachte: Was passiert hier eigentlich gerade? Als ob Kiemen und Sirenen und Lilly und komische Gedanken über die Windrichtung noch nicht reichten … Jetzt luden mich auch noch die Polarfüchse zum morgendlichen Schwimmen ein. »Ich sollte jetzt los und mir, hm, wieder was anziehen.«
»Mina hat’s damit nicht eilig!«, rief Paige vom Rest der Gruppe herüber. Hatte ich denn so laut geredet?
Mina errötete. »Okay, dann bis gleich.«
»Bis gleich«, antwortete ich, ohne jeden Schimmer, wie ich das alles eigentlich schaffen sollte.
Mina und ihre Freundin gesellten sich wieder zu den anderen. Auf dem Weg steckten sie die Köpfe zusammen, flüsterten und lachten. Doch ich begriff, dass sie diesmal nicht über mich lachten – stattdessen war ich jetzt wohl jemand, für den man auch mal früh zum Schwimmen aufstand. Und obwohl das völlig verrückt war, musste ich bei dem Gedanken kurz lächeln und mehr noch beim Gedanken an Lilly – bis mir wieder einfiel, dass ich sie letzte Nacht versetzt hatte.
Du Idiot! Was hatte ich mir bloß dabei gedacht? Aber die Sirene … Die Vision …
Und jetzt noch der Wind.
Was hatte das alles zu bedeuten?
Ziemlich benebelt von all diesen Fragen ging ich zur Hütte zurück. Die Hintertür schwang auf, als ich sie gerade erreicht hatte.
»Owen.« Es war Todd, und er schaute mich abwartend an.
»Ich war bloß beim Eisbärschwimmen …«
Er musterte mich
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