Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
mir, um mich zu stützen. Ich warf einen kurzen Blick über das dünne Drahtgeländer; zehn Meter unter mir lag der Betonboden des Grabens.
Dann schaute ich wieder voraus. Die gleißende Helligkeit da draußen rückte immer näher. Ich wurde aus Eden West entführt – und konnte nicht das Mindeste dagegen tun.
»Robard, hier Pyra, wir verlass… glah! «
Die Brücke erzitterte, und die Drähte neben mir schwangen wie gespannte Saiten.
»Pyra!«, schrie Barnes, stieß mich unsanft in den Rücken und wirbelte herum.
Ich hörte ein Zischen.
»Aah!«
Ich kämpfte noch um mein Gleichgewicht, als Barnes rücklings gegen mich taumelte. Mein Blick war noch unscharf, und so sah ich nur, dass Pyra nicht mehr auf der Brücke war. Und irgendwas stimmte nicht mit Barnes’ Hinterkopf – die Form war verkehrt.
Da war etwas Warmes auf meinem Gesicht.
Tiernan packte mich unter den Armen und schleppte mich weiter zur Luke. »Los, Kleiner!«, rief er.
Barnes sackte zu Boden, und da sah ich die Bewegung hinten im Wald: Schwarze Gestalten traten aus dem Schat ten der Bäume. Sie trugen Helme mit getönten Visieren und hatten Gewehre im Anschlag.
»Lass den Jungen los!«, rief einer von ihnen.
Ich spürte etwas Kaltes am Hals. Ein Messer. Der Traum, auf der Pyramide … nein, dies geschah wirklich. »Einen Schritt näher, und er stirbt!«, rief Tiernan. Das Licht von draußen warf lange Schatten vor uns auf die Brücke. Wir hatten die Luke beinahe erreicht.
Ein Knall, gefolgt von einem weiteren Zischen, und etwas Heißes spritzte mir auf den Hals, diesmal von hinten.
Ich wurde nach vorn gestoßen. Das Messer fiel scheppernd von der Brücke. Ich verlor das Gleichgewicht und versuchte noch, mich abzufangen, doch vergebens. Meine Stirn knallte aufs Metall.
Tiernan stürzte auf mich. Warme Flüssigkeit rann mir die Wange hinab und sammelte sich an meiner Nase. Es war Tiernans Blut, das nun Tropfen für Tropfen auf das Gitter der Brücke lief und hindurchsickerte, um dann den weiten Weg zum Betonboden darunter anzutreten, wo ich jetzt auch Pyras verkrümmten Körper entdeckte, eine Blutlache um den Kopf.
Schritte schepperten auf der Brücke. Der Körper wurde von mir gerollt. Hände in Handschuhen, die mich packten und wieder auf die Beine stellten.
»Kannst du laufen?«
Ich starrte in das bernsteinfarbene Visier, in dem sich die echte, helle Sonne hinter der offenen Luke spiegelte. Ich versuchte zu antworten, doch schaffte es nicht.
»Okay, halt dich einfach nur fest.« Er schlang sich meinen Arm um die Schulter und führte mich zurück zum Tor. Dabei stiegen wir über Barnes mit seinem verzerrten Gesicht, in dessen Kopf, wie ich nun sah, ein großes Stück fehlte. Ich sah das Rot in seinem Haar, das Innere seines Schädels nach außen gekehrt.
Es zog alles nur an mir vorüber. Bilder, Gedanken. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Durfte nicht wahr sein …
Zurück durchs Tor, wo uns nun mehrere Uniformierte in Empfang nahmen. Sie setzten mich unter einen Baum. Ein paar andere seilten sich in den Graben ab. Ich schaute an mir hinab und stellte fest, dass mein T-Shirt, meine Arme und Beine blutverspritzt waren. Das Blut anderer Leute.
»Owen!« Dr. Maria kam auf mich zugerannt. »Keine Angst«, sagte sie und kniete sich vor mich hin. »Dir geht’s gut.« Sie riss mir das Pflaster vom Hals.
»Besser als den anderen jedenfalls«, flüsterte ich.
Dr. Maria warf einen flüchtigen Blick zur Brücke. Einer der Männer kletterte gerade wieder aus dem Graben, Pyra über der Schulter. Er trug sie von der Brücke und warf sie dann auf den nadelbedeckten Waldboden.
Als sie mich wieder anschaute, stand ein feuchter Schimmer in Dr. Marias Augen, und sie schniefte, als würde der Anblick der Leichen ihr wirklich zu schaffen machen. Dann bemerkte sie meinen Blick. »Tut mir leid«, sagte sie und wischte sich die Augen.
»Kein Problem«, sagte ich.
Sie nahm einen roten Arztkoffer aus ihrem Rucksack und leuchtete mir mit einer kleinen Stiftlampe in die Augen. Dann nahm sie meinen Puls. »Tut dir was weh? Abgesehen von der Wange?« Sie untersuchte vorsichtig die Schwellungen.
»Eigentlich nicht.«
Sie nahm einen Eisbeutel, schüttelte ihn kurz und drückte ihn mir in die Hand. Ich merkte, wie sie zitterte. »Für die Schwellungen«, sagte sie. »Das Neuropflaster sollte in ein paar Minuten abklingen. Dann spürst du auch wieder was.«
»Okay.« Meine Zehen und Finger begannen schon zu kribbeln.
Sie suchte etwas in ihrem
Weitere Kostenlose Bücher