Die Erben von Hammerfell - 5
tat.
»Wie ist das geschehen?« fragte sie heiser, die Wangen naß von Tränen. »Ich habe die ganze Nacht im Wald nach Markos und dir gesucht!«
»Und er nach dir«, berichtete Conn. »Ich bin mit der Geschichte von dieser Sache aufgewachsen. Doch auch heute noch verstehe ich nicht, wie so etwas möglich war.«
»Allein wichtig ist, daß du noch lebst.« Erminie stand auf und küßte ihn. »Und Juwel, du erkennst ihn auch wieder? Würde ich es nicht glauben, könnte Juwel mich überzeugen. Ich habe euch damals oft ihr als einziger Wärterin überlassen – sie war so zuverlässig wie jede Kinderfrau.«
»Ich glaube, daran erinnere ich mich noch.« Die alte Hündin legte den Kopf auf Conns Schoß, und er drückte sie fest an sich.
Eine Reihe von dünnen Kläfflauten kam aus einer Ecke des Gartens. Ein wolliger Welpe stürzte heran und zwickte Conn mit den Zähnchen. Conn lachte und hielt den kleinen Hund spielerisch von sich ab.
»Nein, du wirst meine Finger nicht zu essen kriegen, nun komm, sei lieb«, schmeichelte er, und Erminie befahl: »Platz, Kupfer!« Juwel ließ ihr tiefkehliges Bellen hören und versuchte den Welpen wegzuschieben. Conn sagte lachend: »Du magst mich also nicht so gern wie die alte Juwel, Hündchen – Kupfer heißt du, nicht wahr? Ein schöner Name für einen schönen kleinen Hund.«
Sie setzten sich alle zusammen mit den spielenden, springenden Hunden auf den Boden. Und dann erklang von der Tür eine Stimme, die Conn so vertraut war wie ein Traum: »Ich habe die Hunde gehört und bin sofort gekommen. Ist alles in Ordnung, Verwandte?«
Floria trat näher, hob die kleine Kupfer hoch und schalt sie sanft. Conn blieb sitzen, unfähig, sich zu bewegen, und starrte die Frau an, die er nicht für real gehalten hatte.
»Ich habe von Euch geträumt«, stammelte er benommen.
Auch er war als Telepath nicht ausgebildet, und so ungeübt, reagierte er heftig. Ihm war, als fließe seine ganze Seele, seine Geschichte, sein Wesen hinaus, um ihre Seele zu umarmen, und für einen kurzen Moment spürte er ihre impulsive Erwiderung. Florias Augen sahen ihn an, und ihre Hände streckten sich nach ihm aus. Dann erinnerte sie sich, daß sie Conn, obwohl sie ihn so gut zu kennen meinte wie sich selbst, in Wirklichkeit noch nie gesehen hatte. Erschrocken und verlegen zog sie sich zurück, wie es sich in der Anwesenheit eines Fremden schickte.
Zitternd erklärte sie: »Ihr seht Eurem Bruder sehr ähnlich.«
Und er antwortete: »Das glaube ich allmählich selbst; schon so viele Leute haben es nur gesagt. Und Mutter wäre beinahe in Ohnmacht gefallen, als sie mich erblickte.«
»Ich hatte dich so viele Jahre für tot gehalten«, sagte Erminie, »und wenn man dann nach einer halben Lebensspanne einen Sohn zurückerhält – Alastair ist achtzehn, und so alt war ich bei deiner Geburt.«
»Wann werde ich meinen Bruder sehen?« fragte Conn eifrig.
»Er bringt die Pferde weg und wird in ein, zwei Minuten hier sein. Wir sind heute vormittag draußen vor der Stadtmauer geritten. Vater hatte es erlaubt; er meinte, es sei ja ausgemacht, daß wir bald heiraten«, antwortete Floria.
Das war für Conn ein Schock, aber er sagte sich, das hätte er vorhersehen müssen. Jetzt war ihm klar: Seine Visionen des Stadtlebens – ebenso wie seine Eindrücke von Floria – hatte er über den Zwillingsbruder, von dem er nicht gewußt hatte, daß er noch lebte, erhalten.
Erminie, die den unausgesprochenen Gedankenaustausch zwischen Conn und Floria beobachtet hatte, dachte bei sich: Ach du meine Güte, was soll daraus noch werden? Aber das war ihre erste Begegnung, und ihr wiedergewonnener Sohn machte den Eindruck eines anständigen und ehrenhaften Mannes. Im Grunde konnte er gar nichts anderes sein, wenn Markos ihn erzogen hatte. Er gehörte auf keinen Fall zu der Sorte, die sich an die versprochene Frau des eigenen Bruders heranmacht, er mußte die Situation nur erst in den Griff bekommen. Doch Erminie hatte erkannt, wie tief die Gefühle bei Conn gingen, und das Herz tat ihr bei dem Gedanken weh, was die Zukunft bringen würde. Sie fragte sich, was sie da tun könne.
»Und du bist nach Thendara gekommen, ohne auch nur zu ahnen, daß wir leben, Conn?«
»Ich hätte es mir denken können, daß zumindest mein Zwillingsbruder noch am Leben ist«, antwortete Conn. »Von Leuten, die mehr von laran verstehen als ich, habe ich gehört, daß das Band zwischen Zwillingen die stärkste aller Verbindungen ist. Und seit etwa einem Jahr verfolgen mich
Weitere Kostenlose Bücher