Die Erben von Hammerfell - 5
erst gestern abend in ihrem Haus gespeist«, antwortete Lord Valentin, »und noch bevor du mir erzählst, warum du nach Thendara gekommen bist, möchte ich vorschlagen, daß du zu ihr gehst, damit sie von deiner Anwesenheit erfährt. Wenn du erlaubst, würde ich dich gern begleiten und der erste sein, der ihr diese Neuigkeit mitteilt.«
»Ja«, stammelte Conn. »Gewiß, als erstes muß ich meine Mutter aufsuchen.«
Valentin ging an seinen Schreibtisch, setzte sich und schrieb rasch ein paar Zeilen. Dann rief er einen Diener und befahl ihm: »Bring diesen Brief sofort zu der Herzogin von Hammerfell und sage ihr, daß ich innerhalb einer Stunde bei ihr sein werde.« Er wandte sich wieder Conn zu. »Wir müssen ihr Zeit geben, sich auf den Empfang von Gästen vorzubereiten. Bevor wir aufbrechen, können wir noch etwas kaltes Fleisch und Brot essen, denn du hast doch eine lange Reise hinter dir.«
Conn brachte jedoch nur wenig hinunter. Dann ritten sie zusammen durch die Straßen, und Lord Valentin sagte: »Dies ist ein freudenvoller Tag für mich. Ich kann es nicht erwarten, das Gesicht deiner Mutter zu sehen, wenn du auf einmal vor ihr stehst. Warum hast du dich nicht früher auf die Suche nach ihr gemacht? Wo hast du gelebt?«
»Im Versteck, auf dem Grund und Boden meines Vaters. Ich habe mich für den letzten der Hammerfell-Linie gehalten, der keinen anderen Angehörigen mehr hat als Markos, den alten Friedensmann.«
»Ich erinnere mich an Markos«, sagte Valentin nikkend. »Deine Mutter hält auch ihn für tot. Er muß inzwischen doch sehr alt sein.«
»Das ist er, aber für einen so alten Mann ist er sehr rüstig«, berichtete Conn. »Er ist wie ein Vater zu mir gewesen und bedeutet mir mehr als viele Verwandte.«
»Und warum bist du jetzt hergekommen?« forschte Valentin.
»Weil ich den Hastur-König um Gerechtigkeit bitten will, nicht nur für mein Volk allein, sondern für die ganzen Hellers. Die Lords von Storn geben sich nicht damit zufrieden, meine Familie und meine Linie vernichtet zu haben, sie versuchen auch noch, meine Pächter, die Angehörigen meines Clans, umzubringen oder Hungers sterben zu lassen, indem sie sie von dem Land vertreiben, das sie seit Generationen bestellt haben. Denn die Storns wollen die Äcker in Weideland umwandeln, weil Schafe mehr Gewinn bringen und weniger Mühe machen als Ackerbau betreibende Pächter.«
Valentin Hastur blickte ihn besorgt an. »Ich weiß nicht, ob König Aidan dagegen etwas machen kann oder will, mein Junge. Ein Adliger hat das Privileg, mit seinem eigenen Land zu tun, was ihm gefällt.«
»Und wohin sollen die Leute dann gehen? Sollen sie verhungern, weil das einem edlen Lord bequemer ist? Sind sie nicht wichtiger als Schafe?«
»Oh, ich bin durchaus deiner Meinung«, versicherte Lord Valentin. »Ich habe mich entschieden dagegen gestellt, daß dergleichen auf Hastur-Land geschieht. Dennoch wird Aidan sich höchstwahrscheinlich nicht einmischen – ja, das Gesetz verbietet es sogar, sich in die Angelegenheiten des Adels einzumischen, und täte er es doch, würde er nicht lange auf dem Thron bleiben.«
Das gab Conn viel zu bedenken. Tief beunruhigt verstummte er. Sie erreichten das Haus, in dem Erminie so viele Jahre gelebt hatte, und gingen durch das Gartentor. Conn meinte versonnen: »Ich kenne dieses Haus, aber ich weiß, daß es nur ein Traum war.«
Sie betraten den gepflasterten Hof. Eine alte Hündin kam und hob mit scharfem, fragendem Bellen den Kopf.
»Ich kenne sie seit Jahren, und doch bleibe ich immer ein Fremder für sie«, gestand Valentin. »Komm, Juwel, gutes Mädchen, ist ja in Ordnung, du dummes Tier…«
Die Hündin schnüffelte an Conns Knien. Dann geriet sie in eine schwanzwedelnde Ekstase und umtanzte ihn steifbeinig. In der Tür am Ende erschien Erminie und rief: »Juwel, benimm dich, altes Mädchen! Was…« Sie blickte auf, sah Conn ins Gesicht und brach beinahe ohnmächtig auf einem Gartenstuhl zusammen.
Valentin sprang hinzu, um sie aufzufangen. Nach einer Weile öffnete sie die Augen.
»Ich habe – habe ich ihn wirklich…«
»Du hast nicht geträumt«, sagte Valentin mit fester Stimme. »Auch für mich war es ein Schock, und ich vermag mir nicht vorzustellen, wie es geschehen konnte. Aber er ist dein zweiter Sohn, und er ist am Leben. Conn, mein Junge, komm her und beweise deiner Mutter, daß du es bist und daß kein Geist vor ihr steht.«
Conn kniete neben ihrem Sessel nieder, und sie umklammerte seine Hände so fest, daß es weh
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