Die Erben von Hammerfell - 5
jetzt besser als kaltes Wasser«, sagte Lenisa und hielt ihm einen Becher an die Lippen. Es war der gleiche scharf schmeckende Kräutertee darin, den sie bei der Brandbekämpfung ausgeteilt hatte. Er löschte Alastairs Durst sehr gut, und gleich nachdem er ihn getrunken hatte, wurde er so müde, daß er sich fragte, ob sie irgendein Schlafmittel hineingetan habe.
»Du brauchst Ruhe. Es hat lange gedauert, bis man den brennenden Baum von dir heruntergehoben hatte. Glücklicherweise lagst du nur unter einem einzigen Ast. Zuletzt kamen die leroni und bewegten ihn mit ihren Sternensteinen, und sie waren verzweifelt. Anfangs hielten wir dich für tot, und Großvater war außer sich, weil ich nicht aufhören wollte zu weinen und sie deshalb meine Brandwunden nicht verbinden konnten…« Plötzlich errötete sie und wandte sich ab. »Ich ermüde dich mit meinem Gerede. Du mußt jetzt schlafen. Später komme ich wieder und bringe dir Essen.«
So ermahnt, war er kurz darauf am Einschlafen, ein merkwürdiges Bild vor Augen: Das Mädchen weinte um seine Verletzungen! Ob sie schon Zeit gefunden hatte, ihren Großvater aufzuklären, wer ihr Gast war? Wußte Lord Storn, daß er seinen ältesten Feind unter seinem Dach beherbergte? Alastair war nämlich überzeugt, sich innerhalb der Mauern von Stornhöhe zu befinden. Nun, er war hilflos und konnte, nichts anderes tun, als auf den Feuerfrieden zu vertrauen. Mit diesem Gedanken schlief er ein.
Als er wieder erwachte – er glaubte nicht, daß es sehr viel später war -, kam Lenisa mit einer Dienerin, die ein Tablett trug, zurück. Die Frau half, Alastair im Bett aufzurichten, und stopfte ihm Kissen in den Rücken. Lenisa setzte sich neben das Bett und fütterte ihn löffelweise mit Stew und Pudding. Als er mehrere Mundvoll gegessen hatte (zu seiner Überraschung stellte er fest, daß er nur wenig hinunterbekam, obwohl er sich doch halbverhungert gefühlt hatte), deckte sie ihn wieder sorgfältig zu. Da sah er über ihre Schulter und erblickte das gefurchte Gesicht Lord Storns.
»Ich bin Euch zu Dank verpflichtet, junger Hammerfell, Ihr habt das Leben meiner Großnichte gerettet«, sagte er förmlich. »Sie ist mir teurer als ein Dutzend Töchter, mein einziger noch lebender Nachkomme…« Er unterbrach sich, und sein Ton wurde persönlicher. »Und glaubt mir, ich bin weit davon entfernt, undankbar zu sein. Auch wenn es viele Gründe zum Streit zwischen uns gegeben hat, können wir jetzt, da Ihr, wenn auch nicht aus eigener Wahl, mein Gast seid, darüber sprechen, wie die Differenzen beizulegen wären.«
Er hielt inne, und Alastair, der in Thendara einen Großteil seiner Zeit mit der Übung im höfischen Protokoll verbracht hatte, erkannte die Pause als Aufforderung, nun seinerseits etwas Verbindliches zu sagen.
»Ich bin Euch dankbar für Eure großzügige Gastfreundschaft, mein Lord, und ich habe immer sagen gehört, kein Zwist sei so groß, daß er nicht bereinigt werden könne, selbst wenn sich Götter und nicht Menschen stritten. Da wir aber nur Menschen sind, ist sicher, daß alles, was zwischen uns steht, mit gutem Willen und gegenseitigem Vertrauen aus dem Weg geräumt werden kann.«
Lord Storns Gesicht erhellte sich vor Erleichterung bei Alastairs geschliffener kleiner Rede. Der alte Mann hatte die grobe Arbeitskleidung, die er bei der Brandbekämpfung getragen hatte, abgelegt, und sein Haar war gekämmt. Es war grau, aber es wölbte sich so glatt und glänzend Über der hohen Stirn, daß Alastair der Verdacht kam, es sei eine Perücke. Der Lord trug Ringe an den Fingern und ein prächtiges Gewand aus himmelblauem Brokat. Er wirkte imposant, ja königlich.
»Dann will ich darauf trinken, Herzog Hammerfell. Ich gebe Euch meine feierliche Versicherung, Ihr habt nichts von mir zu befürchten, wenn Ihr Eurerseits bereit seid, allen Groll der Vergangenheit angehören zu lassen. Auch wenn Ihr bei Eurem letzten Zusammenstoß mit meinen Männern meinen Neffen getötet und mich mit dem Tod bedroht habt…« Lord Storns Stimme hatte eine gefährliche Schärfe angenommen.
Alastair, darauf bedacht, seine brüchige Sicherheit zu schützen, hob die Hand, um ihn zu unterbrechen.
»Mit allem Respekt, Sir, ich habe Euer Land heute zum erstenmal betreten. Der Mann, der Euch und Eure Männer bedrohte, war nicht ich, sondern mein jüngerer Bruder – mein Zwilling. Er wuchs bei einem alten Gefolgsmann meines Vaters auf, der von der- irrigen Annahme ausging, meine Mutter und ich seien bei dem
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