Die Erben von Hammerfell - 5
hatte und welche von den verschiedenen Abzweigungen die richtige war. Aber Conn reagierte nicht auf ihre Berührung, und sie mußte sich in der Überwelt auf die Suche nach einem Reisenden machen, der dieselbe Richtung verfolgte und sich hier auskannte. Genaugenommen widersprach das dem Ethos eines ausgebildeten Telepathen, doch Erminie fiel keine andere Möglichkeit ein, zu verhindern, daß sie selbst, Gavin und Floria sich in dem ihnen fremden Wald völlig verirrten.
Schließlich gelangten sie in ein kleines Gebirgsdorf. Dort gab es, wie sie feststellen mußten, kein Gasthaus, aber einer der Dorfbewohner erklärte sich zu einem ungeheuerlichen Preis bereit, sie bei sich übernachten zu lassen und ihnen ein Abendessen zu geben. Auch bot er ihnen einen Führer an, der sie am Morgen zum nächsten Dorf bringen könne. Da ihnen keine andere Wahl blieb, stimmte Erminie zu, obwohl sie beunruhigt war. Die halbe Nacht lag sie wach, während Floria neben ihr schlief, und fürchtete sich davor, die »gastfreundlichen« Dorfbewohner könnten Diebe sein und sie angreifen und ausrauben oder noch Schlimmeres tun. Doch schließlich übermannte sie der Schlaf. Im ersten Morgengrauen wachte sie auf. Ihre Person und all ihre Besitztümer waren unangetastet geblieben, und sie schämte sich ihres Verdachts nicht wenig. Hatten nicht sowohl ihr Mann als auch ihr Sohn ihr ganzes Leben unter den Leuten aus dem Gebirge verbracht? Natürlich gab es Schurken unter ihnen - zum Beispiel Lord Storn -, aber die meisten waren bestimmt anständige, ehrenwerte Menschen.
Weiter ging der ermüdende Ritt. Der Führer aus dem Dorf brachte sie bis an einen Ort, von dem aus es nur noch ein oder zwei Tage bis Hammerfell und Burg Storn waren, und gab ihnen noch Erläuterungen mit auf den Weg.
In der Abenddämmerung des fünften Tages kamen sie an eine Gabelung mit einer Baumgruppe, die Erminie als Landmarke erkannte. Die Abzweigung links führte bergauf nach Hammerfell, die rechts zu der Burg auf Stornhöhe, die man gerade noch über einem Berggipfel sehen konnte. Erminie zögerte unschlüssig. Sollte sie zu ihrem eigenen Heim in Hammerfell reiten (das sie zuletzt in Trümmern gesehen hatte) und sich nach Verbündeten umschauen oder sich direkt nach Storn begeben und verlangen, daß man sie ihren verletzten Sohn pflegen lasse?
Sie vertraute ihre Zweifel Floria an, die meinte: »Conn hat doch erzählt, daß er mit Markos zusammengelebt hat, Lady Erminie. Ich finde, Ihr tätet besser daran, dort Unterkunft zu suchen.«
»Aber wenn Alastair in Storns Händen ist«, wandte Erminie ein. »Vielleicht ist er da nicht sicher…«
»Hat man uns nicht immer wieder beteuert, der Feuerfrieden sei den Bergbewohnern heilig?« erinnerte Floria sie. »Alastair ist während des Brandes auf Storn-Land verletzt worden; Storn kann gar nicht anders, als ehrenhaft für ihn zu sorgen.«
»Ich habe keine Veranlassung, der Ehre von Lord Storn zu vertrauen«, sagte Erminie.
»Um so mehr habt Ihr Grund, Euch ihm nicht unangekündigt auszuliefern«, argumentierte Floria. Lady Erminie sah es ein, und sie nahmen die Abzweigung nach Hammerfell. Nach einem kurzen Stück hörten sie, daß ihnen Reiter entgegenkamen. Ohne die geringste Ahnung, wer sie waren, lenkten sie ihre Pferde vom Weg hinunter in dichtes Gebüsch. Dann hörte Erminie ein ihr vertrautes Bellen und eine menschliche Stimme, die sie wiedererkannte, obwohl sie sie ein halbes Menschenleben lang nicht mehr vernommen hatte.
»Meine Herzogin?«
»Ist es möglich, daß du es bist, Markos, mein alter Freund?«
»Ja, und ich auch, Mutter!« rief Conn. Mit einem hörbaren Seufzer der Erleichterung ritt Erminie auf die Straße zurück und fiel Markos fast ohnmächtig in die Arme. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß seine Mutter gut aufgehoben war, begrüßte Conn mit einer freundschaftlichen Umarmung Gavin, und dann umarmte er zögernd auch Floria.
»Ihr hättet wirklich nicht kommen sollen«, schalt er. »In Thendara wäret ihr sicherer gewesen! Jetzt ist Alastair in der Gewalt Storns und schwer verletzt…«
Erminie atmete die scharfe Bergluft ein, und in ihr stieg die Erinnerung an ihren alten Spielkameraden Alaric auf, der in Storns Burg gefangen gewesen und dort gestorben war.
»Wie schlimm steht es um ihn? Hat Storn irgendwelche Drohungen geäußert?«
»Bisher nicht«, antwortete Markos, »aber ich bin sicher, daß sie noch kommen werden. Meine Lady, ich bin überglücklich, daß Ihr am Leben seid und es Euch gutgeht. In
Weitere Kostenlose Bücher