Die Erben von Hammerfell - 5
schuld an seinem Tod? Alastair konnte sich nicht erinnern, und in seinem augenblicklichen Zustand blieb ihm nichts anderes übrig, als Lord Storn – und Lenisa – zu vertrauen.
»Ich wäre Euch dankbar, mestra, wenn Ihr ihr in Eurem Zwinger etwas zu fressen geben würdet«, wandte er sich an die Schwertfrau, streichelte Juwel und sagte mit Nachdruck zu ihr: »Es ist in Ordnung, Mädchen, geh mit ihr, Freund.« Dann nahm er Dame Jarmillas Hand und hielt sie Juwel unter die Nase. »Du kannst mit ihr gehen, Mädchen, und dein Abendbrot essen, verstanden?«
Juwel blickte zu ihm auf, als hätte sie ihn verstanden, und trottete an Dame Jarmillas Seite davon.
»Dann ist sie nicht wie der Hammerfell-Hund der Legende darauf dressiert, jeden Menschen vom Geschlecht der Storns niederzureißen?« fragte Lenisa lächelnd.
Alastair hatte nie von einem solchen Hund gehört und hätte gern gewußt, ob die Geschichte auf Wahrheit beruht. »Ganz und gar nicht«, beteuerte er, »obwohl ich überzeugt bin, daß sie mich oder meine Mutter – ich glaube, sogar meinen Bruder – bis zum äußersten verteidigen würde.«
»Von einem Hund, der das nicht täte, würde ich nicht viel halten«, sagte Lenisa.
»Schluß jetzt mit dem müßigen Geplauder, chiya«, befahl Lord Storn. »Ich habe Hammerfell etwas zu sagen. - Junger Mann, ich würde es begrüßen, wenn Ihr ernsthaft darüber nachdenken würdet, was dem Wohl Eurer Pächter ebenso wie dem Wohl der meinen dient.«
»Ich bin immer bereit zuzuhören«, erwiderte Alastair höflich. Lord Storns ganze Persönlichkeit erweckte in ihm den Wunsch, alles Unrecht, das er sein Leben lang hatte rächen wollen, zu vergessen. Es kam ihm widersinnig vor, daß er eine Armee gegen diesen couragierten alten Mann hatte aufstellen wollen. Vielleicht ließ sich der Krieg durch Diplomatie und Verständnis vermeiden. Lenisa war gewiß nicht seine Feindin. Er konnte zumindest ohne Vorurteil zuhören.
»Der Boden hier ist ausgelaugt, mit Ackerbau läßt sich kein Lebensunterhalt mehr verdienen«, erklärte Lord Storn. »Ich habe versucht, meinen Pächtern bei der Umsiedlung zu helfen, aber sie sind stur wie Zandrus Teufel. Vielleicht können wir sie gemeinsam umerziehen. Die neue Sache ist die Schafzucht – weg mit den Leuten, her mit den Schafen. Die Leute müssen einsehen, daß das für alle besser ist, und es liegt in Eurem Interesse ebenso wie in meinem. Denkt darüber nach, bevor Ihr antwortet. Wir wollen morgen darüber sprechen.« Er stand auf. »Hört Ihr, wie es regnet? Ich wünschte, ich könnte zu Hause bleiben wie Ihr, gemütlich im warmen Bett und dabei eine freundliche junge Hand, die mich zudeckt und mir Glühwein als Schlaftrunk bringt. Aber ich muß hinaus, muß die Grenzen abschreiten, nachsehen, ob auch keiner meiner lieben Nachbarn das Feuer dazu benutzt hat, die Grenzsteine zu versetzen – o ja, das geschieht trotz des Feuerfriedens -, mich vergewissern, daß die Chemikalien sicher verwahrt und die Wächter wieder auf ihre Posten zurückgekehrt sind.«
»Ich werde aufbleiben und dir Gewürzwein als Schlaftrunk bringen, wenn du wieder da bist, Großvater«, erbot sich Lenisa.
»Nein, Mädchen, sieh zu, daß du zu deinem Schönheitsschlaf kommst; du wirst ihn brauchen.« Er küßte sie rauh auf die Stirn. »Sorg für unseren Gast, und geh zeitig zu Bett. Morgen, junger Hammerfell, werden wir miteinander reden, Ihr und ich. Schlaft gut.«
Und mit einem freundlichen Nicken verließ er das Zimmer.
XV
Ardrin von Storn verließ seine Burg und blieb einen Augenblick zögernd stehen. Sollte er einen seiner Friedensleute rufen und mit ihm die Grenzen abschreiten? Nein, dazu bestand kein Grund; er hatte diese Grenzen seit seinem zwölften Lebensjahr Tag für Tag kontrolliert, und es widerstrebte ihm, einen seiner Männer in die regnerische Nacht hinauszujagen.
Bis jetzt war der Regen noch weich und leicht, beinahe angenehm kühl nach der Hitze und Anstrengung des Tages. Lord Storns Kleidung war dick und undurchdringlich für die Nässe. Er schritt forsch aus und überprüfte jede Grenze beinahe automatisch. Seit jeher erfüllte ihn das Gefühl, eins mit diesem Land zu sein. Von jedem Morgen wußte er, was er hervorbringen konnte und was früher dort angepflanzt oder sonst getan worden war.
Bedauernd dachte er: Auf diesem Feld hatte mein Großvater Apfelbäume stehen. Jetzt ist es für nichts anderes mehr gut als für Schafe. Dieses Land taugt für nichts anderes mehr. Die Wollindustrie in
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