Die Erben von Hammerfell - 5
Thendara wächst von Tag zu Tag; der Ackerbau hat nie einen von uns reich gemacht, aber die Schafzucht könnte es tatsächlich fertigbringen.
Es war traurig, daß er Leute wegschicken mußte, die viele Jahre lang Storn-Pächter waren. Aber er konnte sie auch nicht hierbehalten und auf dem ausgelaugten Boden verhungern lassen. Hier ging es um eine bittere Notwendigkeit. Für sie alle war es besser so.
Ein paar Männer würde er als Schafhirten brauchen, wollte jedoch darauf achten, daß sie seine eigenen loyalen Leute waren.
Es ist zum Besten aller, redete er sich zu. Wir dürfen uns nicht ans Gestern klammern, und sie können guten Boden im Tiefland oder sonstwo finden oder in den Städten arbeiten. Die Fabriken in den Städten schreien nach tüchtigen Arbeitern und finden keine. Auch für ihre Söhne und Ehefrauen gibt es dort Arbeit als Dienstboten in den Stadthäusern. Das ist besser, als wenn sie sich an ihre abgewirtschafteten Höfe klammern.
Derart in Gedanken, war ihm nicht aufgefallen, daß der Regen härter und schneller fiel. Nun erst merkte er, daß sich nasser Schnee hineinmischte. Er rutschte aus und verlor das Gleichgewicht, aber es gelang ihm, wieder auf die Füße zu kommen. Der Schnee war jetzt kalt und schwer, und er steckte die Hände in die tiefen Taschen seines Mantels. Dann ging er weiter, sah nach, welchen Schaden das Feuer angerichtet hatte, und speicherte die Eindrücke m seinem Gedächtnis.
Er war ein beträchtliches Stück marschiert und wünschte langsam, er hätte Lenisa erlaubt, mit dem Glühwein auf ihn zu warten, denn der Schnee durchdrang allmählich sogar seinen dicken Mantel.
Plötzlich glaubte er dort ein Licht zu sehen, wo nach den Worten der alten Ballade »kein Licht hätte dürfen sein«. Falls seine Milchtiere es sich nicht angewöhnt hatten, auf ihren Weiden Licht zu machen, dachte er belustigt. Seine erste Regung war eher Neugier als Beunruhigung. Er ging näher heran. War das Feuer wieder aufgeflammt, vielleicht nur ein Funke, der aber in der Nacht weithin sichtbar war?
Das Licht flackerte, und kurz darauf war er sich nicht mehr ganz sicher, ob er es überhaupt gesehen hatte. Vielleicht hatte sich Sternenlicht in einem herumliegenden Stückchen Metall gespiegelt. Ihm fiel ein Erlebnis aus seiner Jugend ein: Er hatte in der Nacht ein Licht bemerkt und Alarm gegeben, und dann stellte sich heraus, daß die Gürtelschnalle und das Taschenmesser eines Hirten, die an einem Zaun hingen, den Mondschein reflektiert hatten.
Seit jenem längst vergangenen Tag hatte er immer gezögert, bevor er Schlußfolgerungen zog, und das stand im Widerspruch zu der alten Gewohnheit, bei einem Zeichen von Feuer oder einem Eindringling sofort Alarm zu schlagen, erst Hilfe herbeizurufen und dann der Sache auf den Grund zu gehen. Feuer, Nachtläufer oder Räuber – das alles taugte nicht für eine Politik des ruhigen Abwartens.
Vorsichtig lenkte er die Schritte von der Straße in die Richtung des Lichts. Jetzt sah er es wieder. Es flackerte schwach, und als er näher kam, löste sich das Flackern in eine Widerspiegelung auf Glas auf.
Aber im Namen aller eisigen Höllen Zandrus, was wurde da widergespiegelt? Bei einem solchen Regen waren weder ein Mond noch die Sterne zu sehen. Nur wenige seiner Pächter waren wohlhabend genug, daß sie sich Glasfenster leisten konnten. Lord Storn ging vorsichtig bis ans Haus und sah, daß es zwar einen völlig verlassenen Eindruck machte, aber irgendwo im Innern trotzdem ein Feuer brannte – ein Verstoß gegen den strengen Befehl, Feuerstellen nicht ohne Aufsicht zu lassen. Lord Storn stieg die Holzstufen, die erschreckend quietschten, zu der hölzernen Veranda hinauf und schob sich durch die Tür. Die Wärme war angenehm, aber Gesetz war Gesetz, und Gefahr war Gefahr. Er würde das Feuer zudecken und diesen Leuten eine Geldstrafe und eine Predigt vom Feuerwart ersparen. Seine Kleider begannen zu dampfen. Er ging auf die Feuerstelle zu und fuhr plötzlich zurück. Voller Entsetzen starrte er auf seine Hände, die, als er die Arme ausstreckte, gegen hängende, schwankende Gestalten gestoßen waren.
Hatten sie sich alle erhängt? Aber warum? Er trat zurück und bereitete sich auf das vor, was er beim Schein des Feuers zu sehen fürchtete. Er hatte vor Schreck die Luft angehalten und atmete jetzt erleichtert aus. Leere Mäntel und Jacken, die an einem hohen Dachbalken zum Trocknen aufgehängt waren, das war alles.
Er bedeckte das Feuer mit Sand aus einem
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