Die Erben von Hammerfell - 5
mißmutige, zerlumpte junge Mann verschwunden war. Der alte Geredd seufzte.
»Fortwährend hockt er mit seinen Freunden zusammen. Ihr wißt, Sir, wie das mit den jungen Leuten ist. Immer glauben sie, sie könnten die Welt verändern«, sagte er und wechselte dann das Thema. »Ihr dürft nicht daran denken, bei diesem Wetter nach Hause zu gehen. Ihr sollt mein Bett haben, und die Frau und ich schlafen vor dem Feuer. Meine jüngere Tochter ist auch hier, ihr und ihrer Familie ist gekündigt worden; sie haben vier kleine Kinder unter fünf Jahren, und Mhari hat vor noch nicht zehn Tagen Zwillinge geboren, deshalb behalte ich sie alle hier
- was soll ich sonst tun?«
Storn versuchte zu protestieren, aber Geredd gab nicht nach. »Das macht überhaupt keine Mühe, Sir, wir schlafen bei kaltem Wetter sowieso hier in der Küche. Die Frau richtet schon das Bett für Euch mit frischen Laken und den besten Decken.« Damit führte er Lord Storn in das Schlafkämmerchen. Es wurde fast völlig von einem riesigen Bett ausgefüllt, auf dem ein Federbett, eine Steppdecke und eine Anzahl alter und geflickter, aber sehr sauberer Kissen lagen. Geredds ältliche Frau kam, half Lord Storn aus seinem feuchten Unterzeug und in ein ebenfalls an vielen Stellen geflicktes und verblichenes, aber sauberes Nachthemd. Seine Perücke hing über dem Bettpfosten, und seine Sachen, die sich in verschiedenen Stadien das Trocknens befanden, wurden im Zimmer verteilt. Die alte Frau zog ihm die Decken über die Schultern, wünschte ihm ehrerbietig eine gute Nacht und ging. Endlich wurde es Storn warm, und das Zittern hörte auf. Er legte sich zurecht und hörte zu, wie die Graupeln gegen die Fenster prasselten. Bald schlief er ein; es war ein langer Tag gewesen.
XVI
Markos’ Haus war nicht groß, aber Erminie fand es im spärlichen Fackellicht gemütlich und heimelig. Die Nacht war sternenlos und der Himmel voll von grauen Regenwolken, die in ihrem eigenen geheimnisvollen Licht dahinsegelten. Jenseits der niedrigen Steinmauer erhob sich die Ruine von Hammerfell in einem Zustand romantischen Verfalls, wie Alastairs Freunde aus der Stadt es wohl genannt hätten. Gavin hatte den Ausdruck bereits dreimal benutzt, was Markos verärgert hatte, und schließlich hatte Floria ihn mit einem Rippenstoß und einem mahnenden Blick zum Schweigen gebracht.
Das Haus war wetterfest, doch nicht geräumig. In dem niedrigen Zimmer standen zwei schmale Betten. Auf einem von ihnen saß Erminie jetzt und hielt die immer noch feuchten Füße ans Feuer.
Außerdem war noch ein kleiner Tisch mit zwei stabilen Holzstühlen da. Sonst nichts. Markos hatte ein altes besticktes Leinentuch über den Tisch gelegt und zwei angelaufene Silberkelche daraufgestellt. Er brachte den Frauen Essen und Wein. »Ich wünschte, das hier wäre eine richtige Halle, Lady«, entschuldigte er sich. Erminie schüttelte den Kopf.
»Wer sein Bestes gibt, steht an Höflichkeit einem König gleich, sei sein Bestes auch nur die Hälfte eines Strohhaufens«, zitierte sie. »Das hier ist gewiß besser als jeder Strohhaufen.«
Gavin hatte sich auf dem Teppich zu Erminies Füßen zusammengerollt, dicht vor dem knisternden Feuer, das wohltuende Wärme spendete. Auf dem zweiten Bett, das auf der anderen Seite des Feuers stand, saß Floria, einen warmen Samtmantel über dem dünnen weißen Stoff ihrer Turm-Robe. Sie hatte sie ebenso wie Erminie angezogen, weil ihre Reitkleider bis auf die Unterwäsche naß geworden waren. Kupfer lag auf ihrem Schoß. Conn saß auf einem der Holzstühle, Markos stand neben dem anderen. In dem engen Raum hinter dem Tisch und den Stühlen drängten sich vier oder fünf Männer zusammen, ein halbes Dutzend weiterer hatte sich in den kleinen inneren Raum gequetscht und versuchte, die Köpfe durch die Tür zu stecken und zumindest auf diese Weise an dem, was vor sich ging, teilzuhaben. Erminie wußte, daß dies die Männer waren, die Conn bei seinem ersten Überfall auf StornLeute begleitet hatten und Zeugen gewesen waren, als er als rechtmäßiger Erbe von Hammerfell anerkannt wurde. Bei ihrer Ankunft hatte Markos um ihre Aufmerksamkeit gebeten und Erminie vorgestellt, und da hatten ihre Jubelrufe die niedrigen Dachbalken vibrieren lassen. Erminie war bei diesem Empfang warm ums Herz geworden, obwohl sie sehr gut wußte, daß er eigentlich nicht ihr galt. Doch sie war überzeugt, daß Conn es verdient hatte, und es sprach für ihren Sohn, wenn sie, die zwanzig Jahre lang ohne
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